
Römer 1,1-7
Weihnachten ohne Gemütlichkeit? | Christfest II | 26.12.2024 | Röm 1,1-7 | Andreas Pawlas |
Paulus, ein Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, ausgesondert zu predigen das Evangelium Gottes, das er zuvor verheißen hat durch seine Propheten in der Heiligen Schrift, von seinem Sohn, der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch, der eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft nach dem Geist, der da heiligt, durch die Auferstehung von den Toten – Jesus Christus, unserm Herrn. Durch ihn haben wir empfangen Gnade und Apostelamt, den Gehorsam des Glaubens um seines Namens willen aufzurichten unter allen Heiden, zu denen auch ihr gehört, die ihr berufen seid von Jesus Christus. An alle Geliebten Gottes und berufenen Heiligen in Rom: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus
Liebe Gemeinde!
Jetzt erwarten wir doch an diesem zweiten Weihnachtsfeiertag eine das Gemüt ansprechende und anrührende Weihnachtspredigt. So gehört sich das doch! Aber was ist jetzt passiert? Da ist uns nun ausgerechnet dieses Bibelwort aus dem Anfang des Briefes des Hl. Apostels Paulus an die Römer vorgegeben worden, wo sich jeder fragen muss, wo da auch nur andeutungsweise etwas von Weihnachten die Rede ist – etwa von „Leise rieselt der Schnee“ oder von „Oh Tannenbaum“? Man ist also irritiert oder verwundert.
Jedoch, vielleicht ist alles ja auch ganz anders, als man es sich üblicherweise vorstellt. So könnte doch möglicherweise durch die Auseinandersetzung mit diesem Bibelwort auch herauskommen, wie sehr wir mit unseren mitteleuropäischen Vorstellungen darüber, was Weihnachten nun eigentlich für uns und die ganze Welt zu bedeuten hat, ein bisschen zu sehr auf das Thema Gemütlichkeit konzentriert sind.
Aber nein, doch bitte nichts gegen alle Gemütlichkeit. Sie ist doch so wunderbar zu Weihnachten! Und was haben meine Frau und ich uns immer abgemüht, zu Weihnachten alles für unsere Kinder und Gäste wirklich schön zu gestalten! So schön, dass das Herz erfüllt war und alle richtig Lust hatten, die vertrauten Weihnachtslieder miteinander zu singen – ob der Schnee nun auch leise rieselte oder auch nicht. Insofern kann doch so etwas Weihnachtliches nicht verkehrt oder ein Irrtum gewesen sein!
Doch halt! wenn sich jetzt nach einer kleinen Weile vielleicht manche Irritation gelegt hat, dann könnte sich doch der Raum auftun, einmal etwas genauer auf das zu schauen, was es denn ist, was uns im Brief des Hl. Apostels beim ersten Hören so nüchtern und unweihnachtlich klingt, aber doch so wichtig für Weihnachten sein soll.
Jedoch lasst uns dazu nicht ganz vorn anfangen, mit der Selbstvorstellung des Apostels als Knecht Christi Jesu und seinem Predigtauftrag – das mag ein ganz eigenes Thema sein. Sondern lasst uns beginnen mit dem für ihn und auch für uns so entscheidenden Evangelium, also mit der frohen Botschaft. Und da streicht der Hl. Apostel deutlich heraus, dass genau diese einstmals durch die Propheten vorhergesagte Botschaftsich nun wirklich in Jesus Christus, dem Sohn Gottes, erfüllt. Und könnte es jetzt damit nicht doch weihnachtlich werden? Wodurch? Doch durch zweierlei:
Denn zunächst könnte man doch durchaus bereits alles das hören, was Weihnachten so sensationell macht,wenn man diesen Satz richtig vernimmt: „Geboren aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch.“
Was das heißt? Das heißt doch, dass es mit dem Christus-Kind eben nicht so ist, wie bei den vielen vielen anderen, die man in der Menschheitsgeschichte als Gottes Sohn bezeichnete und von denen man behauptete,dass sie die Welt erlösen könnten. Es ist bei dem Christus-Kind eben nicht so, wie bei den vielen anderen, die in Schlössern und Palästen geboren werden, und deren Geburt man meint, weltweit mit vielen Salutschüssenund Jubel des Volkes begrüßen zu müssen.
Vielmehr klingt für mich in diesem „nach dem Fleisch“ etwas für Göttliches, Erhabenes und Allgewaltiges völlig überraschend Nüchternes an: Für mich ist da etwas zu hören von der ganzen Begrenztheit unseres irdischen Lebens, ja, von Leid und Tod, von Qualen und Elend. Und genau das will doch erstaunlicherweise das göttliche Kind in der Krippe auf seinem Lebensweg für uns auf sich nehmen.
Nein, hier in Bethlehem wird kein Superman mit Fanfarengetön und Donnergetöse in die Welt gebeamt.Sondern unsere biblischen Quellen berichten hier ganz nüchtern von einer jungen Frau – ja vielleicht war die Jungfrau Maria tatsächlich, wie es damals für Frauen üblich war, bei dieser Geburt nur etwas älter als 13 Jahre – die dann unter Wehen und Geburtsschmerzen den zur Welt bringt, der nach Gottes Willen der Erlöser der Menschheit sein soll. Gott geht in diese Welt ein unter ihren uns so bekannten, wirklich erbärmlichen Bedingungen. Aber genau das, genau das ist sensationell!
Allerdings muss auch daran gedacht werden, wen so etwas heute interessieren wollte. Und wer wollte auch damals auf so etwas achten? Denn damals litt das Volk Israel doch unter dem brutalen Druck der römischen Besatzungstruppen. Und alle Hoffnungen auf ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben waren völlig zerstört.Man hatte doch genügend damit zu tun, selbst auf irgendeine Weise zu überleben. Ich empfinde dabei, dass das bei uns zur Weihnachtszeit überlieferte Bild von der Geburt Jesu abseits der Paläste, abseits der weltlichen Mächte, abseits der Ortschaften in so etwas wie in einem Schafstall, diese öffentliche Missachtung des Gottessohnes wirklich zutreffend aufnimmt. Wie sollte aber eine solche Missachtung des Gottessohnes „nach dem Fleisch“, wie sollten aber allein diese weltlichen Umstände Grund sein, Weihnachten zu feiern.oder dem Apostel Amt und Auftrag zu verleihen?
Darum muss jetzt auf das Zweite geschaut werden. Nämlich auf den Satz, dass dieser Jesus aus dem Geschlecht Davids geboren ist.
Was das nun eigentlich heißt? Das heisst, dass hier etwas geschieht das unter der Verheissung steht, die Gott damals bereits David gegeben hat. Das, was schon vor langer Zeit und durch seine Propheten in der Heiligen Schrift vorausgesagt worden ist, genau das, das geschieht jetzt.
Und nun zur Wiederholung: diese Verheißung bedeutet eben nicht, dass nun der Zeitpunkt gekommen ist,dass mit dem neugeborenen Kind ein neues irdisches Weltreich begründet wird, dass darum nun neue Kampfkolonnen aus dem Boden gestampft werden, oder dass nun eine neue KI-geleitete Generation von ABC-Waffen oder Kampfdrohnen den Erdkreis sich niederducken lässt. Sondern es geschieht nun durch die Geburt des Sohnes Gottes etwas ganz anders geartetes, etwas in einer ganz anderen Dimension, nämlich etwas Übermächtiges nach dem Geist.
Denn es ist der Geist der Liebe Gottes, der nun unter den Menschen Einzug halten will. Es ist der Geist der Liebe Gottes, der nun die Menschen anrühren und selbst liebevoll machen will. Es ist der Geist der Liebe Gottes, der nun die Menschen stärken, nach dem Reich Gottes ausrichten und auch in ihm vollenden will.
Kein Wunder, dass deshalb in den alten Malereien über die Geburt des Christus-Kindes der Chor der Engel im Stall von Bethlehem lauthals jubelnd gezeigt wird! Kein Wunder aber auch, dass selbst heutzutage nicht nur mir immer wieder zur Geburt des Christus-Kindes, wenn es Weihnachten werden will, ganz anders wird,ja, dass irgendwie eine ganz eigene Festlichkeit über die ganze Welt ziehen will!
Und bestimmt, wer auch nur ein wenig davon ahnt, dass durch das Kind in der Krippe Gottes Geist den Anfang machen will mit der Erlösung der Menschen von allem Hass und Neid, von Kümmerlichkeit und Vergänglichkeit, von Leid und Tod, der kann doch wirklich nur mitsingen mit diesem Gesang der Engel, der kann doch wirklich nur in alle Freude einstimmen über dieses unvorstellbare Geschehen!
Und wenn man also nun auch nur ein wenig von dem großartigen Werk des Kindes in der Krippe ahnt, und darüber froh wird und deshalb Weihnachten feiert, dann sollte es doch auch egal sein, ob draussen Schnee fällt oder ob Eis auf den Tannenspitzen glitzert, oder ob alles – wie etwa in Südafrika – bei der Weihnachtsfeier unter ziemlicher Sommerhitze liegt.
Entscheidend ist eben, dass das gefühlt, begriffen und bejubelt wird, dass mit der Geburt des Christus-Kindesalles im Geiste anders wird. Entscheidend ist eben, wie Nikolaus Herman in seinem Lied „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“ so schön von Gottes Handeln zur Weihnachtszeit zu reimen weiß: „Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis der Cherub steht nicht mehr dafür. Gott sei Lob, Ehr und Preis, “
Es ist eben wunderbar und doch unbegreiflich, dass für den, der dieser frohen Botschaft vom Sohn Gottes glauben kann, alles Üble abfallen und das Paradies wieder offen stehen soll.
Nein, nicht, das Paradies, in dem einem nun gebratene Tauben von selbst in den Mund fliegen wollen, mit Wein und Bier in Strömen. Das ist doch alles nur vorübergehend, kurzfristig und rein weltlich, und vielleicht sogar mit einem Rausch hinterher.
Das ist jedoch keinesfalls vergleichbar damit, dass mit der Geburt des Christus-Kindes alles im Geiste anders wird durch die hier anbrechende Ewigkeit der Wirklichkeit Gottes.
Und wie sehr diese Wirklichkeit Gottes alles vergängliche Weltliche übersteigt, zeigt sich bereits bei der Geburt des Christus-Kindes durch den gegebenen Hinweis auf die Auferstehung von den Toten. Gewiss, wenn es im Weihnachtszimmer so köstlich nach Lebkuchen und Tanne duftet, dann mag es im ersten Moment makaber wirken, einen Hinweis auf die Auferstehung von den Toten und damit auch auf das Sterben Jesu am Kreuz zu erhalten. An Leid und Sterben wollen wir doch gerade im Glanz der Weihnachtskerzen nicht denken!Aber es ist genau hier, wo sich der ganze Ernst und Tiefgang der weihnachtlichen Botschaft zeigt. Schon hier ganz zu Beginn des Lebens und Lebenswerkes des Christus-Kindes wird sein göttlicher Auftrag, den Tod zu überwinden, ungeschminkt angesprochen – aber auch befreiend und erlösend gefeiert.
Anderes ist es nicht gemeint, wenn es im Weihnachtslied „O du fröhliche“ heißt: „Welt ging verloren, Christ ist geboren, freue dich o Christenheit.“ Und das ist es doch: Wenn es einem geschenkt wird, dass man auch nur ganz wenig davon fühlen und verstehen kann, dass es zur Heiligen Nacht um diese radikale Veränderungder Welt und ihrer Todesverfallenheit zu einem Leben im Glanze Gottes geht, muss man dann nicht genauso froh werden wie es von den Hirten berichtet wird, die das neugeborene Christus-Kind im Stall von Bethlehembestaunen durften? Und muss man dann nicht auch genauso wie dann später die Hl. Drei Könige von allem gern weitersagen und so zum Glauben an den Sohn Gottes einladen? Ja, auch alle „Heiden“, so wie es der Hl. Apostel sagt und wie es dann sein Auftrag ist: also alle Völker dieser Erde, und das nicht nur damals, sondern genauso heute!
Deshalb trifft sein Brief eben auch genau uns, genau uns heute und hier am Weihnachtstag. Und weil so die frohe Botschaft, das Evangelium von der Ankunft des Christus-Kindes in dieser Welt auch genau uns gilt,deshalb dürfen auch wir froh darüber werden, dass die Gnade und der weihnachtliche Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus auch Dir und mir gelten, heute und hier am Weihnachtstag und ewig. Gott sei Dank! Amen.
Pastor i. R. Prof. Dr. Andreas Pawlas
Eichenweg 24
25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop
Andreas.Pawlas@web.de