Römer 12,9–16

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Seid uncool! | 2. Sonntag nach Epiphanias | 19.1.2025 | Röm 12,9–16 | Udo Schmitt |

Paulus spricht von der Liebe. Hier im Brief an die Römer. Wir befinden uns im letzten Teil des Briefes, es geht um die Gemeinde und wie man sich verhalten soll. In atemlosen Stakkato reiht er Wort an Wort, Wunsch an Wunsch, es geht Schlag auf Schlag, bzw. Ratschlag auf Ratschlag, hören wir mal rein: TEXT (Römer 12,9–16)

Die Liebe.
Ein kleines Wort – und große Wirkung.
Ein kleines Wort  – und doch:
Was doch für ein großer Schein, was für Glanz, der von ihm ausgeht!
Seit Jahrhunderten wärmen sie sich zu Tausenden daran. Die Liebe.
Auch wenn sie sie nicht kennen, wärmen sie sich
(immer wieder sonntags – und bei jeder sich bietenden Gelegenheit)
ihre kalten Herzen und bibbernden Lippen daran.
Singen ihr ihre Lieder. Der Liebe. Singen sie richtig schön – oder ganz schön falsch.

Die Liebe sei ohne falsch. Ohne Heuchelei. Sagt Paulus.
Und Justus Gesenius hat diesen Gedanken so zum Lied verdichtet:

„Lass mich an andern üben, was du an mir getan;
und meinen Nächsten lieben, gern dienen jedermann
ohn Eigennutz und Heuchelschein und, wie du mir erwiesen,
aus reiner Lieb allein.“ (EG 82,7)

Liebe ist nicht nur ein Gefühl.
Nicht nur „Herzilein“, und: „Du musst nicht traurig sein.“
Liebe ist nicht nur ein Wort, sondern Gedanken und Worte und Taten.
Lieben kann ich nur ganz, ganzheitlich –
mit Herz und Kopf und Hand.

Liebe kann ich nicht allein.
Niemand kann sich selber küssen
oder sich selber tröstend nehmen in den Arm.
Niemand kann Christ sein oder Christin – nur für sich und ganz allein.

Du kannst in den Wald gehen oder in die Wüste,
du kannst nach Gott suchen da
und ihn rufen Tag und Nacht. Viel Spaß dabei!
Aber er wird dich nicht hören – wird dir nicht antworten da.
Erst wenn du Liebe sprichst und tust – mit anderen, an anderen,
wird er sich finden lassen – und sagen: das hast du mir getan.
Dann wird er sagen: Danke – dir!
Und du wirst sagen: Dafür nicht.
Denn es ist ja so:
Liebe ist nicht das erste Wort. Das ich spreche. Nicht ich.
Gott spricht es zu mir. Du bist. Sagt ER. Mein. Mein geliebtes Kind.
Liebe ist sein Wort, sein Werk, sein Geschenk an mich.
Und alles, was ich sage und denke und tue. Ist Antwort nur –
auf dieses erste Wort. Liebe ist die Antwort nur –
sie kommt von Gott und kehrt zu ihm retour.

Liebe ist Antwort – und Verantwortung
„Liebe ist die Verantwortung eines Ich für ein Du“ (Martin Buber).

So auch bei Paulus hier.
Er legt sie uns ans Herz – die Gemeinde,
die Brüder und Schwestern da,
jeden Einzelnen und jede Einzelne darin.
Habt ein zärtliches Gefühl
für jede Frau und jeden Mann
bei euch in der Gemeinde Jesu Christi.
In der Gemeinde des großen Liebenden.

Seid nicht träge. Nicht lau und unentschlossen.
Nicht kühl und reserviert.
Sondern brennt. Brennt! Brennt im Geiste.
Und kommt einander nah. Näher. Und zuvor.
Kommt einander zuvor. Mit Ehrerbietung.
Respektbekundung. Mit Friedensangeboten, Aufmerksamkeiten. Liebe.
Manchmal genügt ein kleines Wort.

Haucht es. Schreit es. Sagt es. Und tut es.
Es gibt nichts Gutes – außer man…
Habt dabei einen langen Atem.
Seid geduldig und beharrlich und fröhlich, egal wie trüb es aussieht,
bleibt beim Beten und haltet die Hoffnung hoch.
Das ist (mit) das Wichtigste, was wir füreinander tun können:

Uns miteinander Mut machen.
Einander einschließen in das Gebet.
Einander aufnehmen mit offenen Armen.

Freundlichkeit, Fürbitte und Gastfreundschaft.
Darin sollt ihr euch üben, täglich.
Das soll typisch für euch sein.

Seid nicht cool. Seid uncool!
Wer wie ich in den 80ern Teenager gewesen, der mag sich erinnern:
Damals musste man immer cool bleiben. Immer.
Und auch wenn man den größten Erfolg hatte, eine eins in Mathe oder so,
dann tat man gelangweilt und gähnte und sagte nur: Ach so?
Denn lautes Jubeln galt – ebenso wie öffentliches Weinen – als uncool und war streng verboten.

Was für ein Blödsinn!

Wenn es etwas zu Freuen gibt, dann freut euch. Sagt Paulus.
Und wenn es etwas zu Weinen gibt, dann weint.
Geteiltes Leid ist halbes Leid sagt man
und geteilte Freude ist doppelte Freude. Also dann: Fangt an!
Das ist Liebe – dass man für einander da ist
in guten wie in schlechten Zeiten –
und auch in all den anderen dazwischen.
Nicht nur, wenn was ist, sondern auch, wenn nichts ist.

Es sind nicht immer nur die großen Dinge, im Gegenteil,
es sind die kleinen Dinge, die wichtig sind.
Die kleinen, die geringen, die schwachen Dinge – und Menschen,
denn ihnen gilt sein Herz. Haltet euch zu denen.
Halte dich nicht selbst für klug. Und nimm dich nicht so wichtig.
Selbstgerechtigkeit und Liebe passen nicht zusammen.

Seid nicht großspurig. Aber auch nicht kleinmütig.
Sagt nicht aus falscher Bescheidenheit –
oder aus echt gefühlter Minderwertigkeit:
Ich bin zu klein. Ich kann das nicht.
Ich bin zu alt, zu doof.

Keiner ist zu klein. Keiner ist zu alt oder zu doof – für die Liebe.
Sie macht Bettler zu Königen. Und Könige zu Bettlern.
Sie wärmt die Erfrierenden und hebt die Elenden empor,
errettet, die zu ertrinken drohen. In Einsamkeit.
Sagt nicht, du genügtest nicht.

„Manchmal genügt ein kleines Licht,
und ich sehe die Sonne zur Mitternacht.

Manchmal genügt ein Regentropfen,
und ich schöpfe Wasser aus loderndem Feuer.

Manchmal genügt eine Träne,
und das Meer fließt über.

Manchmal genügt ein Wort,
und Mauern weichen zurück.

Manchmal genügt das Schweigen,
und ich höre die Stimme meines Herzens
deutlich wie die eines Bruders.

Manchmal genügt eine Blume,
und ich begreife den Himmel.

Manchmal genügt ein Augenblick, und ich weiß,
daß ich nicht für den Tod geschaffen bin.“ (Wolfgang Poeplau)

Liedvorschläge:

Liebe ist nicht nur ein Wort (EG 665)

Wo Menschen sich vergessen (HuE 2)

Die Gott lieben werden sein wie die Sonne (HuE 223)

Wir wollen aufstehn, aufeinander zugehn (HuE 313)


Udo Schmitt, geb. 1968, Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland, von 2005-2017 am Niederrhein, seit 2017 im Bergischen Land.

Dorfstr. 19 – 42489 Wülfrath (Düssel)

udo.schmitt@ekir.de