Römer 15,4-13

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Geduld – das Uhrwerk Gottes verstehen | 3. Advent | 15.12.2024 | Römer 15,4-13 | Marion Werner |

Gnade sei mit euch und Frieden, von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

Sind Sie ein geduldiger Mensch?“ – Eine einfache Frage, die uns aber herausfordert ehrlich zu sein. Wenn ich ehrlich bin, dann muss ich sagen, oft bin ich geduldig, oft aber auch nicht. Es ist nicht so einfach mit der Geduld. Vielleicht geht es ihnen ebenso.

Wir leben in einer Welt, die von Schnelligkeit geprägt ist. Einer Zeit, in der wir gewöhnt sind, dass man nicht wirklich warten muss. Die Digitalisierung hat das gefördert. Und so wird uns Geduld abtrainiert. Uns Erwachsenen, aber auch den Kindern. Das fällt mir über die Jahre deutlich auf.

In der Bibel ist Geduld wichtig. Eine Tugend. Je nach Übersetzung kommt das Wort Geduld in der Lutherbibel ungefähr 20mal vor. Aber auch Worte wie «Langmut» und «Ausdauer» oder «ausharren» meinen das Gleiche. Der Apostel Paulus betont in seinen Briefen die Geduld im Umgang miteinander. Wir sollen miteinander geduldig sein und auch mit Gott geduldig sein, denn Gott ist ja schliesslich mit uns ebenfalls geduldig. Für Paulus ist Geduld nicht nur eine persönliche Eigenschaft, sondern ein Zeichen des Glaubens. Sie gehört gemäss Galater 5,22 zu den «Früchten des Glaubens», die ein Mensch entwickeln soll.

Sie ist also eine Aufgabe, an der wir Christen arbeiten sollen.

In unserem Predigttext für heute aus dem Römerbrief 15,4-13 ist Geduld ebenfalls wichtig. Gott selbst wird ein Gott der Geduld genannt.

4 Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben.

5 Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid, untereinander, wie es Christus Jesus entspricht,

6 damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.

7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre.

8 Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Beschneidung geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind;

9 die Heiden aber sollen Gott die Ehre geben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.«

10 Und wiederum heißt es: »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!«

11 Und wiederum: »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preisen sollen ihn alle Völker!«

12 Und wiederum spricht Jesaja: »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais, und der wird aufstehen, zu herrschen über die Völker; auf den werden die Völker hoffen.«

13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.

Gott segne sein Wort an unseren Herzen

Wie kommunizieren wir mit dem «Gott der Geduld und des Trostes»?

Im November haben wir im biblischen Unterricht mit den Kindern über das Gebet nachgedacht und festgestellt, es ist eben nicht so, dass wir Gott etwas sagen, ihn um etwas bitten und es passiert gleich. Da ist Gott wirklich anders als ein Zauberer. Es ist anders als bei Harry Potter, wo der Zauberspruch unmittelbar eine Reaktion auslöst. Mit dem Gebet und mit Gott ist es auch anders als in den Computerspielen – da hat man Aufgaben zu erfüllen. Bis man eine Aufgabe erfüllt, kann man jedoch Preise einsammeln – so ist der Weg zum Ziel bereits mit kleinen Freuden und Belohnungen gepflastert. Da hingegen scheint die Sache mit dem Gott der Geduld wesentlich zähflüssiger und weniger spannend zu sein.

Daher haben wir uns mit den Kindern ein richtiges mechanisches Uhrwerk mit vielen Zahnrädern angesehen. Das ist sehr spannend. Ein Zahnrad greift in das andere, eines treibt das andere an. Jedes Zahnrad hat seine Aufgabe, und alle bewegen sich in perfekter Harmonie. Wenn ein Zahnrad schneller oder langsamer drehen würde, würde die gesamte Uhr aus dem Takt geraten.

Man bewegt das erste Rädchen und diese Bewegung setzt sich fort bis endlich der Zeiger der Uhr einen Schritt vorwärts macht. Ebenso ist es mit Gottes Antworten auf unsere Gebete.

Das Gebet ist der Beginn einer Bewegung. Ein Zahnrad beginnt sich zu drehen, wenn wir beten. Wir stoßen einen Prozess an. Schwierig ist für uns, dass wir meistens nur das kleine Rädchen sehen können, welches wir anstossen. Das gesamte Uhrwerk bleibt uns verborgen. Daher wissen wir nie, wie lange wir auf die Reaktion Gottes warten müssen. Dennoch mag ich an dem Bild der Uhr die Verlässlichkeit. Wenn man ein Zahnrad in Bewegung setzt, hat man die Gewissheit, dass sich irgendwann ein Zeiger bewegt. So macht dieses Uhrwerk uns Mut zu vertrauen. Darauf zu vertrauen, dass Gott den Überblick hat und auch das richtige Timing für seine Antworten.

Das Bild des Uhrwerks mag ich auch, weil es mir sagt: Ja, ich brauche Geduld. Ein Zahnrad kann nicht sofort ein Ergebnis liefern. Aber meine Geduld lohnt sich. Mein Warten ist nicht umsonst. Ich denke Gott formt uns während des Wartens. Er lehrt uns ihm zu vertrauen, er macht uns bereit für neue Wege und Perspektiven, auch wenn wir seine Gedanken und Pläne nicht vollständig verstehen. Paulus formuliert im Römerbrief, einige Kapitel vor dem Abschnitt unseres Predigttextes, folgendes Versprechen: «Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen». Römer 8,28

Das Bild des Uhrwerks und der Geduld kann uns auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen helfen. Paulus wünscht sich, dass wir miteinander geduldig umgehen, er schreibt: «Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat». Wir Menschen sind so verschieden und wenn wir uns treffen, beschäftigen sich unsere Gedanken und Gefühle oft mit ganz anderen Dingen, von denen unser Gegenüber nichts weiss. So reagieren wir manchmal gereizt oder unfreundlich, scheinbar ohne Grund.

Damit eine Beziehung funktioniert, müssen Zahnräder ineinandergreifen. Sie brauchen eine Schmiere, damit sie gut funktionieren. Ich stelle mir vor, Geduld ist diese Schmiere, die dazu führt, dass Zahnräder gut miteinander arbeiten. Wenn man geduldig ist, sich Zeit nimmt und den anderen zu verstehen versucht, können viele Missverständnisse und Konflikte vermieden werden.

Möge der Gott der Geduld uns die Geduld schenken, die wir tagtäglich nötig haben. Denn durch «Geduld und den Trost der Schrift» werden wir Hoffnung haben – schreibt Paulus.

Amen

Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes

Pfarrerin Marion Werner¨

Zürich

Email: pfarrerin@luther-zuerich.ch