1. Johannes 2, 12-17

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1. Johannes 2, 12-17

 


22. Sonntag nach Trinitatis,
27. Oktober 2002
Predigt über 1. Johannes 2, 12-17, verfaßt von Peter M. Wiegandt

Wir hören als biblischen Text, der der Predigt an diesem Sonntag
zugrunde liegt, den 1. Johannesbrief im 2. Kapitel, die Verse 12-17. Ich
lese die aus diesem vermutlich späten neutestamentlichen Brief vorgeschlagenen
und nach dem Gebot der Bruderliebe, die sicher auch die Schwestern einschließt,
eindringlich zusammengefaßten Verse in der Übertragung der
Einheitsübersetzung:

12 Ich schreibe euch, ihr Kinder, daß euch durch seinen (sc. Jesu
Christi) Namen die Sünden vergeben sind. 13 Ich schreibe euch, ihr
Väter, daß ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist. Ich
schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr den Bösen besiegt
habt. 14 Ich schreibe euch, ihr Kinder, daß ihr den Vater erkannt
habt. Ich schreibe euch, ihr Väter, daß ihr den erkannt habt,
der von Anfang an ist. Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß
ihr stark seid; daß das Wort Gottes in euch bleibe und daß
ihr den Bösen besiegt habt.
15 Liebt nicht die Welt und was in der Welt ist! Wer die Welt liebt, hat
die Liebe zum Vater nicht. 16 Denn alles, was in der Welt ist, die Begierde
des Fleisches, die Begierde der Augen und das Prahlen mit dem Besitz,
ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. 17 Die Welt und ihre Begierde
vergeht; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.

Gott, segne unser Hören und Reden und Tun. Amen

Liebe Gemeinde,

es gibt sogenannte große und sogenannte kleine Weltausstellungen.
Eine große Weltausstellung findet in der Regel alle fünf Jahre
statt. 2000 war die letzte EXPO in Hannover, und die nächste wird
2005 in Japan sein.

Neben den großen Weltausstellungen gibt es auch kleine Weltausstellungen.
Manche finden statt wie in diesem Jahr die EXPO 02 in der Schweiz, manch
andere, so lese ich, wie die geplante kleine EXPO in Frankreich im nächsten
Jahr, fallen ins Wasser, weil´s nicht finanzierbar ist.

Eine sogenannte kleine Weltausstellung wie die in der Schweiz, einem,
wie es heißt, kleinem, aber reichen Land aber findet und fand statt.
Und gerade die EXPO 02 in der Schweiz hat mich als Besucher mehrfach fasziniert.

Alle Erlebnisse der kleinen Weltausstellung dort in der Schweiz standen
je nach dem Ort, wo sie stattfanden, unter verschiedenen Überschriften:
Macht und Freiheit in Biel, Augenblick und Ewigkeit in Murten, Natur und
Künstlichkeit in Neuchatel, und schließlich Ich und das Universum
in Yverdon. Zum Teil beinnahe religiöse Überschriften.

Und es gab so dort einen Beitrag auch der Kirchen in Murten, an einem
der fünf Arteplages in den vier Städten an den drei Seen im
Juraland. Es gab in Yverdon eine künstliche Wolke, die an Bergerlebnisse,
aber auch an die Wolke der Zeugen erinnerte. Und es gab viele andere beeindruckende
Erlebniswelten am Bieler See, am Lac de Neuchatel und am Lac de Murat.

Liebe Gemeinde, wenn wir heute über unseren Abschnitt des 1. Johannesbriefes
nachdenken, dann hat mich besonders ein Pavillon in Biel mit beeindruckt.
Drei von weitem sichtbaren Türme und gleich zwei Arteplages in der
einen Stadt, die das Thema Macht und Freiheit sinnbildlich darzustellen
versuchten, all das war dort mit einer kühnen, begehbaren Brückenkonstruktion
verbunden. Und vielleicht sollten dort die eindruckvollsten, weil vielleicht
am teuersten gestalteten Pavillons und Events zu sehen sein.

Zu den Sponsoren der verschiedenen Veranstaltungshallen und -orte zählten
schließlich gerade hier, in Biel, Versicherungen und Banken, und
es mag nicht verwundern, daß einer der Pavillons von der Schweizerischen
Nationalbank finanziert wurde und von außen mit Blattgold ausgeschlagen
war, rundherum, glänzend, 1700 qm2 Blattgold.

„Geld und Wert – Das letzte Tabu“, war diese Themenhalle überschrieben,
und innen gab es in diesem von Künstlern gestalteten Pavillon seltsamerweise
eine Geldvernichtungsmaschine, so, wie es im Leittext im Ausstellungskatalog
schon nachdenklicher als die güldene Außenhaut es vermuten
ließ, hieß:

„Alles kostet Geld. Alles? Haben gesellschaftliche Werte einen Marktpreis?
Lässt sich, zum Beispiel, Solidarität in Franken beziffern?
Geld ist Macht. Geld ist Freiheit. Besonders in der Schweiz, dem Land
des Geldes. Nur, von welcher Macht und welcher Freiheit ist hier überhaupt
die Rede?“

Liebe Gemeinde, aber dann war noch etwas auffällig an diesem Pavillon,
und ich weiß nicht, ob dies spontaner Protest oder noch eine geplante
oder zugelassene Aktion war: Daß die ganze Hülle des Blattgoldes
mannshoch mit Stiften oder Farben vollgeschrieben worden war. Stumpfe
Schrift und Schriftzeichen auf dem Blattgold, so vollgeschrieben oder
-geschmiert, das nur noch die Schrift, nichts aber mehr vom Glanz zu sehen
war.

Wenn wir über den Abschnitt aus dem 1. Johannesbrief nachdenken,
dann haben wir die fast monoton klingenden Eingangsverse noch im Kopf,
an die ich nochmals gerne erinnere. 12 Ich schreibe euch, ihr Kinder,
daß euch durch seinen (sc. Jesu Christi) Namen die Sünden vergeben
sind. 13 Ich schreibe euch, ihr Väter, daß ihr den erkannt
habt, der von Anfang an ist. Ich schreibe euch, ihr jungen Männer,
daß ihr den Bösen besiegt habt. 14 Ich schreibe euch, ihr Kinder,
daß ihr den Vater erkannt habt. Ich schreibe euch, ihr Väter,
daß ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist. Ich schreibe euch,
ihr jungen Männer, daß ihr stark seid; daß das Wort Gottes
in euch bleibe und daß ihr den Bösen besiegt habt.

Das, was der Schreiber des 1. Johannesbriefes hier im zweiten Kapitel
im Anschluß an das Gebot der Liebe aufreiht, erinnerte mich an diesen
einen Pavillon dieser kleinen Weltausstellung, eben zunächst die
Schrift über dem Blattgold, gleich, ob diese Schrift über dem
Blattgold spontaner Protest oder noch eine geplante oder zugelassene Aktion
war.

Liebe Gemeinde, es wirkt ja dort in Biel dieses, die Schrift, wie ein
verzweifelter Versuch, das wertvollere, beständigere Gold zu überdecken,
das vermutlich dennoch länger bleiben wird als die abwaschbare Schrift,
so daß der zweite, grundsätzlichere Teil unseres Predigtextes,
sich an dieses Bild anschließt und geradezu anschließen muß:
15 Liebt nicht die Welt und was in der Welt ist! Wer die Welt liebt, hat
die Liebe zum Vater nicht. 16 Denn alles, was in der Welt ist, die Begierde
des Fleisches, die Begierde der Augen und das Prahlen mit dem Besitz,
ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. 17 Die Welt und ihre Begierde
vergeht; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.

Liebe Gemeinde, Macht und Freiheit, gerade das Thema der kleinen EXPO
in der Schweiz an diesem Ausstellungsort in Biel, Macht und Freiheit,
schiene mir geeignet, das Nachdenken über unseren biblischen Abschnitt
weiterzuführen.

Ganz sicher gibt es in einigen Teilen dieser Welt gewaltige Summen Geldes,
Goldes oder Gutes, die derart bewegt werden, wo Menschen zu zweifeln beginnen.
Beispielsweise nur dort, wo junge Männer, junge Rennfahrer in einem
Jahr mehr verdienen, als es zur Sanierung mehrerer, jahrhunderte alter,
baufälliger Kirchen zum Beispiel im Osten bedürfte.

Die Welt nicht zu lieben und was in der Welt ist, diese Aufforderung
konnte und kann aber auch schnell zu einer Gegenwelt führen, inder
man sich sicher zu bewegen wähnte und fühlt, bis auch diese
zerstört ist.

Wenn es auch beeindruckende Modelle wie zum Beispiel im Mönchtum
gibt, wie Besitz gerechter geteilt werden kann, so gibt es auch hier genügend
Gegenbeispiele, wie Ungerechtigkeit auch hier einziehen kann, wo es sich
wiederum schließlich nur um eine eigene Welt und nicht diese Welt
handelt.

Liebe Gemeinde, manchmal sind die Fragen schon in einer kleinen Kirchengemeinde
schwieriger und komplexer, zum Beispiel, wenn es um die verschiedenen
Finanzierungsmöglichkeiten und die Alternativen geht, ob wenige tausend
Euro sinnvoller für eine Orgelrenovierung oder für die Gruppen
und Kreise der Gemeinde verwandt werden sollten.

Macht oder Freiheit, die Überschrift alleine der beiden Arteplages
in Biel, ließe sich aber aufgrund unseres Abschnittes aus dem 1.
Johannesbrief eindeutiger beantworten.

Diese Welt nicht zu lieben, das bedeutet nach dem Schreiber unseres Textes,
aus der Erinnerung heraus die Freiheit zu behalten und Macht, auch die
Macht des Geldes, als solche zu sehen, was sie ist, als vergängliches,
nicht ewiges Leben.

Wenn wir heute an diesem Sonntag über Gottes Tun nachdenken, wie
es sich auch in den anderen biblischen Geschichten und Erzählungen
ausdrückt, dann wäre es ein einfaches, eine neue Welt zu zimmern,
die doch nur eine Welt der Selbstgerechtigkeit bliebe, gäbe es nicht
die Erinnerung an Gottes Tun. 12 Ich schreibe euch, ihr Kinder, daß
euch durch seinen (sc. Jesu Christi) Namen die Sünden vergeben sind.

Es gibt einen einzigen gewissen Grund, von dem aus Christenmenschen denken
und handeln. 16 Denn alles, was in der Welt ist, die Begierde des Fleisches,
die Begierde der Augen und das Prahlen mit dem Besitz, ist nicht vom Vater,
sondern von der Welt.

Sich davon nicht abhängig zu machen, gilt vielleicht gerade heute
im Miteinander mit jungen Menschen, die in der Regel mit allem Materiellen
aufwachsen, was anderen früher oder vielen heute in anderen Teilen
der Erde nicht selbstverständlich war oder ist. Es gibt Unterschiede,
und es gibt vermutlich Unterschiede, die in den letzten Jahren größer
geworden sind, nur daß diese noch immer nicht den Wert des Lebens
ausmachen werden.

Liebe Gemeinde, die Frage nach dieser und einer anderen Welt ist zunächst
eine moralische, nicht eine metaphysische. Sie ist eine Frage der Diskussion
und Abwägung, nicht eine Glaubenssache.

Denn: Dieser Wille Gottes hat etwas mit der Liebe zu tun, die wie der
Glaube und die Hoffnung am Ende alleine bleiben werden.

Das Zeichen der Schrift auf dem Blattgold auf diesem einen Pavillon der
sogenannten kleinen Weltausstellung ist vielleicht nur ein verzweifelter
Versuch, aber doch zumindestens ein Zeichen, gleich, ob spontaner Protest
oder geplante Aktion, daß der Mensch zählt. Und zu ihm und
seiner Welt gehören sicherlich noch viele Diskussionen und Abwägungen
über den Reichtum und seine Verteilung und sein Prahlen, aber eben
auch die Liebe, die schon bei der Geburt des Heilands von dieser Welt
ist, und nicht aus einer Gegenwelt.

Peter M. Wiegandt
Pastor der Landeskirche
Baumhofsweg 14
31162 Bad Salzdetfurth
pmwiegandt@t-online.de

 

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