1.Könige 3,1-15

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1.Könige 3,1-15

Nachtgespräche
sind

Traumgespräche
sind

Gottes vergessene Sprache

LUCA GIORDANO Dream of Solomon c. 1693
Museo del Prado, Madrid

Salomos Gebet um Weisheit
1.Kön 3,1-15

Und Salomo verschwägerte sich mit dem Pharao, dem König von
Ägypten, und nahm eine Tochter des Pharao zur Frau und brachte
sie in die Stadt Davids, bis er sein Haus und des HERRN Haus und die
Mauer um Jerusalem gebaut hatte. Aber das Volk opferte noch auf den
Höhen; denn es war noch kein Haus gebaut dem Namen des HERRN bis
auf diese Zeit. Salomo aber hatte den HERRN lieb und wandelte nach den
Satzungen seines Vaters David, nur dass er auf den Höhen opferte
und räucherte. Und der König ging hin nach Gibeon, um dort
zu opfern; denn das war die bedeutendste Höhe. Und Salomo opferte
dort tausend Brandopfer auf dem Altar.
Und der HERR erschien Salomo zu Gibeon im Traum des Nachts, und Gott
sprach: „Bitte, was ich dir geben soll!“
Salomo sprach: „Du hast an meinem Vater David, deinem Knecht,
große Barmherzigkeit getan, wie er denn vor dir gewandelt ist
in Wahrheit und Gerechtigkeit und mit aufrichtigem Herzen vor dir, und
hast ihm auch die große Barmherzigkeit erwiesen und ihm einen
Sohn gegeben, der auf seinem Thron sitzen sollte, wie es denn jetzt
ist. Nun, HERR, mein Gott, du hast deinen Knecht zum König gemacht
an meines Vaters David Statt. Ich aber bin noch jung, weiß weder
aus noch ein. Und dein Knecht steht mitten in deinem Volk, das du erwählt
hast, einem Volk, so groß, dass es wegen seiner Menge niemand
zählen noch berechnen kann. So wollest du deinem Knecht ein gehorsames
Herz geben, damit er dein Volk richten könne und verstehen, was
gut und böse ist. Denn wer vermag dies dein mächtiges Volk
zu richten?“
Das gefiel dem Herrn gut, dass Salomo darum bat.
Und Gott sprach zu ihm: „Weil du darum bittest und bittest weder
um langes Leben noch um Reichtum noch um deiner Feinde Tod, sondern
um Verstand, zu hören und recht zu richten, siehe, so tue ich nach
deinen Worten. Siehe, ich gebe dir ein weises und verständiges
Herz, so dass deinesgleichen vor dir nicht gewesen ist und nach dir
nicht aufkommen wird. Und dazu gebe ich dir, worum du nicht gebeten
hast, nämlich Reichtum und Ehre, so dass deinesgleichen keiner
unter den Königen ist zu deinen Zeiten. Und wenn du in meinen Wegen
wandeln wirst, dass du hältst meine Satzungen und Gebote, wie dein
Vater David gewandelt ist, so werde ich dir ein langes Leben geben.“
Und als Salomo erwachte, siehe, da war es ein Traum. Und er kam nach
Jerusalem und trat vor die Lade des Bundes des Herrn und opferte Brandopfer
und Dankopfer und machte ein großes Festmahl für alle seine
Großen.

Amen.

Träumer!
Träumer sind Gottes geliebte Kinder.
Träume sind Gottes vergessene Sprache.

Träumer

„Träumer!“ haben meine Lehrer selten als Kompliment
gemeint. Welt- oder besser schulvergessen schaute ich umher; vergaß,
was der dort vorne als wichtig präsentierte. Meine Gedanken flogen
erst langsam, fast mühsam im Klassenzimmer umher. Dann blieben
sie am Fensterrahmen hängen. Sie schauten noch mal zurück
auf den Raum und den Lehrer so als wollten sie sagen: „Wir gehen
dann mal …“ Es öffneten sich die Fensterflügel
und meine Gedanken zogen ins Freie. Manchmal konnte ich ihnen kaum folgen,
so schnell waren sie woanders.

Dann gab es zwei Möglichkeiten wach zu werden: eine schöne
und eine andere. Die Letztere geschah meistens.

Der Lehrer, das personifizierte Ende meiner tagträumenden Ausflüge,
machte mir klar, wo – wie er so schön sagte – die Musik spielt.
So so. Die Musik … vorbei mit dem Träumen! Das schlimmste
war noch nicht mal, dass ich ertappt wurde. Viel schlimmer war, dass
meine Gedanken – irgendwo draußen auf der Reise – nicht zurückkommen
konnten. So als hätte einer das Fenster zugemacht und ein Schild
daran befestigt: „Ihr müsst draußen bleiben!“

Es gab Stunden, da wurde die schöne Möglichkeit Wirklichkeit.
Die tagträumenden Gedanken kamen ins Klassenzimmer zurück.
Leise durch das geöffnete Fenster, hielten sie Ausschau nach mir
und sahen meinen Kopf, dessen Kinn auf den beiden Handballen gelegt
zur Tafel schaute. – Inzwischen hatte ich mir einen Blick zugelegt,
der volle Konzentration bei völliger geistiger Abwesenheit vermitteln
sollte. – Da waren sie wieder: Meine Gedanken. Tagträume zurückgekehrt
von ihrer Reise und brachten neue Ideen mit. Dinge, die ich noch nie
gedacht hatte. Ich bekam, worum ich nicht gebeten hatte.

Irgendwann, ich weiß nicht mehr wann, wo und wie verlor ich dieses
kindliche Träumen. Ich war jung, wusste nicht aus noch ein, wurde
älter und habe dieses Träumen vergessen. Und heute: Ich wünsche
es mir zurück, zu träumen, wie Salomo es konnte.

Träume(r) im Widerspruch

Doch es erhebt sich der aufgeklärte zweifache Widerspruch:

„Träume, das wissen wir seid Freud, sind zu verstehen als
eine Äußerung des menschlichen Seelenlebens – mit unbewussten
normalen oder krankhaften Anzeichen.“

Wir alle träumen. Gutes und Böses. Ängste und Sorgen.
Manche Träume sind hilfreich – gewiss. Andere Träume kehren
immer wieder: und wir sind sie leid. Die Träume kommen aus der
Tiefe meines Herzens – gewiss. Die inneren Stimmen verbreiten sich im
Traum. Unbewusst, nicht in meiner Macht. Ich kann sie nicht verhindern:
Träume. Ich wache auf. Schweißgebadet.

Doch von all dem hat Salomo nicht erzählt. Und von Salomos Traum
in der Nacht hat Freud nicht gesprochen. Salomo war ein Träumer.
Einer, der die vergessene Sprache Gottes zu hören verstand.

Ich höre aber noch den zweiten Einwand:

Salomo war ein weiser Herrscher, gewiss, aber auch ein cleverer Politiker
dazu. Erst eine geschickte, politische Heirat mit dem potentiellen Feind,
die nebenbei wirtschaftliche Stabilität sicherte. Dann ein nächtlicher
Traum von blühenden Landschaften. Für niemanden überprüfbar.
Ein bescheidener Politiker, wie man ihn sich wünscht, der doch
nichts anderes will als ein gehorsames Herz, Politik fürs Volk
machen, Gerechtigkeit in Ost und West.

Er hat Geld in Fülle und in Hülle Ehre. Wollte er ja gar
nicht. Das hat halt Gott ihm gegeben. Er hatte darum nicht gebeten.
Eine traumhafte Begründung für seine Macht und seinen Reichtum.
Ein geschickter politischer Schachzug mit der Selbstverpflichtung, sich
an die Gebote Gottes zu halten. Der Traum nur Show?

Salomo, der Träumer. Ein weises Herz, Reichtum und Ehre, ein langes
Leben. Das ist die eine Seite. Doch seine Regierungszeit hinterlässt
ein zwiespältiges Bild:

Ein Baukönig hier. Eine luxuriös-aufwendige Hofhaltung dort.
Die Handelsbilanz war in den schwarzen Zahlen und der Sklavenhandel
im vollen Gange. Ein weltoffener und gebildeter Politiker. Er fördert
Kunst und Wissenschaft und merkt doch nicht, dass sein Reich anfängt
zu zerbröckeln. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer
und nach ihm wird das große Reich Israel zerfallen.

Hinterlässt Gott nicht ein zwiespältiges Bild? Reichtum,
Ehre, ein langes Leben als Lohn für das gehorsame Befolgen von
Geboten?

Das ist ein Thema für ein Gespräch – ein Traumgespräch,
das ich mir wünsche.

Wie ich Gott sagen höre: „Bitte, was ich dir geben soll!“

Und ich mich sagen höre: „Antworten! – Du hast an so vielen
große Barmherzigkeit getan, die vor dir gewandelt sind in Wahrheit
und Gerechtigkeit und mit aufrichtigem Herzen vor dir. Wieso bleiben
die Armen arm, die dich lieben Gott? Wo sind die guten Ideen, die überzeugenden
Argumente und die heilsame Wirklichkeit gegen den rechten Unrat, den
laut gewählten und den stumm gedachten? Ein Gespräch mit dir,
Gott, das ist meine Bitte: wie in dieser einen Nacht.“

Eine traumhafte Nacht …

… Es war eine traumhafte Nacht. Er hatte sich vorbereitet. Frisch
gewaschen; kein einziger Fleck auf seiner Kleidung. Ein Wohlgeruch umströmte
ihn. Er näherte sich dem besonderen Ort – auserwählt für
die Begegnung, die er sich erhoffte. Was dann geschah, übertraf
alle seine Erwartungen. Manches hatte er sich gewünscht. Aber er
wusste auch um seine jugendliche Unerfahrenheit. Manchmal weder ein
noch aus.

Es wurde eine traumhafte Nacht. Es kam zu einem traumhaften Gespräch.
Im Dunkel der Nacht. Nicht mehr allein sein. Nicht im Traum und nicht
im Leben. Gott und Salomo. Ein unsichtbares Band zwischen Bitten und
Erfüllen, Gefallen und Erfordern.

Ein Bund – zu Gottes Bedingungen:
Der gibt, worum du nicht gebeten hast.
Fordert: Bitte, was ich dir geben soll.
Dem es gefällt, wenn er gebeten wird.
Ein Gespräch, von anderen nicht gesehen.
Gott und Du – ein Traumgespräch.
Eine einzigartige sprachliche Verbindung.
Träumer sind Gottes geliebte Kinder.

Im Traum, wenn die Selbstbestimmung weniger wird und man sich selbst
vergisst. Mit traumwandlerischer Sicherheit findet Gott den Ort, am
dem wir ausgeliefert sind. An der Grenze zwischen Wachen und Schlafen,
wo wir der Macht unserer Träume verfallen sind. Kräfte geraubt
werden können. Es fiebrig heiß und zitternd kalt werden kann.
So aufwühlend, dass sich alles dreht – vom Körper bis zum
Geist. So anstrengend, dass wir erstarrt sind. Bewegungslos. Müde
und matt.

In der Nacht, wo wir darauf angewiesen sind, dass der, der kommt, es
gut mit uns meint – träumen: Salomos Traum ein Anfang, neu Träumen
zu lernen.

 

Seinen Gang gehen …

Ein Gespräch am Anfang.
In der Nacht. Zu zweit.
Mehr bekommen als erhofft.
Zukunft ist angelegt.

Träume gehen ihren eigenen Gang.
Traumhafte Nächte bringen neue Ideen mit.
Dinge, die Du noch nie gedacht hast.

Eine vergessene Sprache erbeten von Träumern – im Klassenzimmer
und auf dem Thron. Dann – nach dem Traum – wach werden. Die Sonne geht
auf. In seinen Wegen wandeln. Sich einen anderen Gang zulegen. Seinen
Gang – und:

Ein Festmahl für die Großen …

„Ein Festmahl für die Großen feiern!“
„Nein, Salomo. Nicht nur für die Großen. Für die
Kleinen. Alle.“
„Du Träumer!“

Träumer sind Gottes geliebte Kinder.
Träume sind Gottes vergessene Sprache.

Amen.

Pfarrer Lars Hillebold
Repetent der Hessischen Stipendiatenanstalt
an der Philipps-Universität Marburg

Schloss 3 – 4
35037 Marburg

Tel. 06421 / 28 – 22489
Anrufe und Besuche bitte Di-Do: 15.00 – 18.00 Uhr.

http://www.uni-marburg.de/stipe/

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