1. Korinther 10,16+17

1. Korinther 10,16+17

 


Göttinger Predigten im Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Gründonnerstag
20.4.2000
1. Korinther
10,16+17

Dorothea Zager


Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht
die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht
die Gemeinschaft des Leibes Christi?

Denn ein Brot ist’s: So sind wir viele ein
Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.
1. Kor
10,16+17

Liebe Gemeinde,

wenn wir Abendmahl miteinander feiern, was tut
sich da eigentlich in unseren Herzen? Tut sich da etwas in uns drin, wenn wir
rund um den Altar stehen und die Hände öffnen zum Empfang der Hostie,
zum Trinken aus dem Kelch? Kommt da eine Seite in uns zum klingen? Werden wir
freier? Werden wir froher?

Unser Abendmahlszeremoniell ist oft sehr still,
sehr ernst. Jeder kommt für sich allein nach vorne, schweigend, ernst
– an Gründonnerstag und Karfreitag ganz besonders. Wir sprechen nicht
miteinander, wir lächeln uns kaum an. Wir blicken unter uns, reihen uns
ein in den Kreis um den Altar, lassen uns andächtig die Hostie geben und
den Kelch. Versunken stehen wir da und still in uns gekehrt. Vielleicht reichen
wir uns noch die Hände zum Dankgebet – selbst das manchmal ein
bisschen verstohlen. Und wir verlassen den Kreis wieder – allein, so wie
wir gekommen sind. Kennen tun wir unseren „Tischnachbarn“ schon am
Tisch des Herrn – meist ist es ja sogar der Ehepartner, das eigene Kind,
ein Freund – aber wer traut sich schon, den anderen anzulächeln, den
Arm zum ihn zu legen, die Hand ihm zu drücken? Wer wagt es gar, zu
sprechen, ein liebes, aufmunterndes Wort?

Still muss es sein und ernst. Wenn etwas feierlich
ist, da wagt man nicht, fröhlich zu sein. Und Abendmahl ist feierlich. Es
ist ein Sakrament.

I.

Ursprünglich war das anders. Jesus war am
Vorabend vor seinem Tod mit seinen Freunden zusammen und feierte – wie
alle gläubigen Juden – den Beginn des Pessachfestes. Es sollte
eigentlich ein fröhliches Essen sein: ein Erinnerungsessen an die
große Befreiungstat Gottes, der sein unterdrücktes Volk aus dem Joch
des Sklavendienstes in Ägypten befreite. Der es auf den Weg schickte in
ein neues Zuhause, in dem Gerechtigkeit und Friede mit ihnen wohnen sollte.

Das Pessach-Mahl ist bei den jüdischen
Glaubensgeschwistern ein fröhliches Fest. Miteinander essen, miteinander
trinken, sich miteinander erinnern und freuen an der Treue und Liebe des Gottes
Israels.

Der Gründonnerstag aber war kein
fröhlicher Festtag wie all die anderen. Es war der
„Grein“-Donnerstag. Der Donnerstag der Tränen. Ein
Abschiedsessen macht traurig. Festliche Stimmung will da nicht so recht
aufkommen. Denn die Jünger ahnen es, ja sie hören es sogar mit
eigenen Ohren: Jesus wird sie verlassen. Sein Weg führt ans Kreuz. In den
Tod. Natürlich sind sie da betrübt und still.

Wenn wir nun hier bei uns Abendmahl miteinander feiern, liebe
Gemeinde, welche Art von Festmahl halten wir? Was meinte Jesus, als er sagte:
Solches tut zu meinem Gedächtnis?? Ein stilles Abschiedsmahl? Oder ein
fröhliches Erinnerungsmahl?

Feiern wir wieder und immer wieder ein
Abschiedsmahl? Ein trauriges Essen, wo uns der Bissen im Halse stecken bleibt,
weil die Trennung naht? Feiern wir Abendmahl genauso wie die Jünger
damals: traurig, voller Angst, fassungslos und unverständig über das
Scheitern ihrer großen Hoffnung „Jesus von Nazareth“, nichts
wissend von der Kraft des Lebens, die mit Ostern all ihre Traurigkeit
überstrahlen würde?

Oder feiern wir nicht doch ein Freudenfest der
Befreiung? Ein Fest der Vergewisserung dessen, dass Gottes Liebe uns immer und
immer wieder herausführen will aus Sklaverei und Angst, aus Hektik und
Sorge? Dass Gottes Liebe uns durch die Wüsten und Zweifel
hindurchführen will in eine Zukunft, ein Zuhause, in dem Gerechtigkeit und
Friede uns umgeben?

Ich bin gewiss, liebe Gemeinde: Jesus wollte viel
mehr, als dass wir uns beim Abendmahl-Feiern nur ernst und still an sein
letztes Pessach-Essen mit seinen Jüngern erinnern.

„Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der
nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das
nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi?“, so fragt Paulus seine
bekanntermaßen zerstrittene Gemeinde in Korinth und ruft sie damit auf,
sich darauf zu besinnen – jeder für sich – was das Feiern des
Abendmahls für ihren Alltag als Christen und für ihren Lebensalltag
als Gemeinde bedeutet. Und mit dieser Frage legt Paulus den Schwerpunkt auf
etwas ganz anderes, als auf das Erinnern und das Wiederholen des
Gründonnerstagsmahles allein.

„Denn ein Brot ist’s: So sind wir
viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.“

Nicht Erinnern und Wiederholen allein ein es, dass
das Abendmahl zum Sakrament macht – die Gemeinschaft ist es, die
unser Abendmahl heiligt: die Gemeinschaft untereinander und die Gemeinschaft
mit Jesus.

II.

Brot brechen heißt ja zum Einen: Ich bekomme
etwas geschenkt. Ein anderer bricht von dem Brot ab, das er hat, und schenkt es
mir. Meine leere Hand wird gefüllt.

Die Liebe Gottes wie ein Stück Brot in
Christi Händen, gebrochen und aufgeteilt unter die Menschen, die sich nach
Liebe sehnen – das ist Abendmahl.

Wir kommen nach vorne, das Herz voller Sorge, die
Seele voller Ängste, in manchem dunklen Winkel eine Schuld, ein Versagen,
und das Gefühl: Ich habe es wieder nicht fertig gebracht, so zu leben wie
Gott es sich von mir wünscht. Ich bin nicht friedfertig gewesen und auch
nicht sonderlich hilfsbereit. Nicht gerade gescheitert – aber doch
mühselig und beladen.

Da bricht uns einer das Brot. Als hätten wir
Hunger. Haben wir ja auch: Hunger nach Liebe, nach Anerkennung, nach Verzeihen,
nach einem neuen Anfang. Wir sehnen uns nach einem, der sagt: Fürchte dich
nicht. Ich habe dich lieb, so wie du bist. Deine Verfehlung soll nicht zwischen
uns stehen.

Dasselbe Brot bekommt übrigens auch der
andere – der oder diejenige neben mir. Mein Ehepartner, mein Kind, mein
Nachbar, der Kirchenvorsteher, der Mitarbeiter, der Pfarrer und die Pfarrerin.
Haben Sie sich schon einmal überlegt, liebe Freunde, dass es diesen
Menschen doch genauso ergeht, wie Ihnen: ein Herz voller Sorge, eine Seele
voller Angst, vielleicht nicht gerade gescheitert, aber auch mühselig und
beladen. Hungrig nach Liebe, nach Vergebung. Sehnsüchtig nach einem, der
ihnen sagt: Fürchte dich nicht!

Und auch er, und auch sie bekommen ein Stück
von demselben Brot.

„So sind wir viele ein Leib, weil wir
alle an einem Brot teilhaben.“

III.

Brot brechen heißt aber auch zum anderen:
Ich schenke etwas her. Ich esse das Brot nicht allein. Sondern ich gebe ab nach
links und nach rechts, bis jeder davon hat. Meine gefüllte Hand schenkt
weiter.

[„Geben ist seliger denn Nehmen.“, so
sagt ein altes Sprichwort. Ich möchte es einmal anders sagen:] Geben und
Nehmen kommen ohne einander nicht aus.

Kein noch so tüchtiger Christenmensch kann
Liebe geben und geben und geben, ohne nicht auch selbst zu nehmen. Nur wer aus
der großen Fülle der Liebe und Barmherzigkeit Gottes sich satt
trinkt, die uns in Jesus begegnet ist, der hat Kraft genug, diese Liebe auch
tatkräftig weiterzugeben.

Umgekehrt aber: Wer einmal die Fülle der
Liebe Gottes Jesus begriffen hat, wer einmal unter dem Kreuz gestanden hat und
begriffen hat: So sehr hat Gott die Welt lieb, dass er nicht nur die 10 Gebote
ersann, nicht nur die Propheten sandte, sondern letztlich seine ganze Liebe
selbst in Jesus unter die Menschen gab, um zu heilen, um zu trösten, um zu
suchen, was verloren ist und sich aufzuopfern bis in den Tod. Liebe Freunde,
wer die Fülle dieser Liebe in Jesus einmal begriffen hat – besser
gesagt: von ihr ergriffen wurde, der kann gar nicht anders, als wiederum Liebe
weiterzugeben.

Dann brechen wir ein Stück vom Brot und
schenken es unserem Nachbarn am Tisch des Herrn. Wir schenken uns nicht nur
Brot, sondern die Liebe Jesu, seine Vergebungsbereitschaft, seinen Frieden. So
wird Nehmen und Geben eins.

„Denn ein Brot ist’s: So sind wir
viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.“

Da kann in uns also doch eine Saite zum Klingen
kommen, wenn wir miteinander Abendmahl feiern.

Unser Abendmahl wird niemals eine lustige
Fête werden – soll es auch nicht. Aber es wird in unserer Seele hell
werden, liebe Gemeinde, denn wir werden reich beschenkt.

Wir dürfen – ja wir sollen auch nach
unserem Nachbarn sehen, der mit uns dort steht, mühselig und beladen, und
der auch beschenkt wird wie wir.

Wir dürfen uns anlächeln, wenn uns
danach zu Mute ist, uns an der Hand fassen oder den Arm einhängen als
Zeichen der Freundlichkeit und des Friedens zwischen uns. Es darf fröhlich
sein unter uns:

Denn ein Brot ist’s, von dem wir essen. und
eine Gemeinschaft ist’s, der wir angehören: die Gemeinschaft derer,
die von Jesus mit Gnade beschenkt werden und die sich gegenseitig mit Liebe
beschenken.

Amen.

Liedvorschläge (Anhang der EKHN):

Aus ungewissen Pfaden (EG 578)
Wenn das Brot,
das wir teilen, als Rose blüht (EG 632)
Das sollt ihr, Jesu
Jünger, nie vergessen (EG 221)
Seht das Brot, das wir hier teilen (EG
226)
Lasst uns Brot brechen und Gott dankbar sein (EG 582)
Er ruft die
vielen her (EG 583)
Du hast zu deinem Abendmahl (EG 224)
Kommt her, ihr
seid geladen (EG 213)

Pastorin Dorothea Zager, Wachenheim
E-Mail: DWZager@t-online.de

de_DEDeutsch