2. Samuel 12, 1-10.(11.12)13-15a

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2. Samuel 12, 1-10.(11.12)13-15a

„Vergib mir meine Schuld …“| 11. Sonntag nach Trinitatis | 28. August 2022 |Predigt zu 2. Samuel 12, 1-10.(11.12)13-15a | verfasst von Kira Busch-Wagner |

Der Predigtabschnitt heute (Anm: ausnahmsweise würde ich das Meiste des Textes erzählen und die gesamte Preikope etwa mit dem „Wort für die Woche“ ausgeben) führt uns hinein in eine der großen Kriminalgeschichten der Bibel. Weil unsere liturgische Ordnung uns mitten drin einsteigen lässt im 2. Buch Samuel, ist es, als schauten wir im Fernsehen Folge II von zweien. Damit Ihnen der Einstieg besser gelingt, hier also ein Rückblick.

Jerusalem, etwa im Jahr 2750 jüdischer Zeitrechnung – umgerechnet ca. 1000 vor Christus. Das Volk Israel hat einen König. Einen König in Israel gibt es noch nicht so lange. Der Prophet Samuel (vgl. 1. Sam 8) hatte heftig abgeraten. Und dann doch auf Gottes Weisung hin Schaul (später auch Saul genannt) aus dem Stamme Benjamin zum König gesalbt. Der aber war zwischen den verschiedenen Ansprüchen, dem Gerangel der Stämme um Macht und Selbstständigkeit und dem außenpolitischen Druck durch die Philister geschreddert worden und im Zusammenhang von Kämpfen umgekommen. Sein Nachfolger auf dem Thron wurde der beste Freund seines Sohnes, sein eigener Berater und Seelsorger, jedenfalls zeitweise, sein politischer Gegner und Konkurrent: David aus Bethlehem. David bekam, was man Schaul niemals zugestanden hätte. Er hatte einen Hofstaat und Harem, also Frauen, halb Geisel, halb diplomatische Bürgen für Frieden mit umliegenden Fürstentümern. Er hatte sich – sozusagen privat – die Stadt Jerusalem erobert, zu seiner Hauptstadt gemacht und dort in einem Palast sich niedergelassen. Er plante für ganz Israel ein zentrales Heiligtum, exklusiv, was es bis dahin nicht gegeben hat. „Schaul hat 1000 erschlagen, David aber 10 000“, hatten Groupies und Fanchöre ihm zugejubelt. David war eine Ikone geworden, ein Star. Er steht damit ganz oben.

Und wohnt entsprechend ganz oben. Vom Flachdach seines Palastes dort sieht er eines Tages eine junge Frau beim Baden. Es ist die Frau eines seiner Offiziere, des Hethiters Uria. Der steht im Feld. David lässt Urias Frau, Bathseba, zu sich kommen. Was sie sich dazu denkt, bleibt im biblischen Text offen. Ob sie sich einfach dem König fügt? Ob sie geschmeichelt ist, beeindruckt, hingerissen von ihrer eigenen Wirkung? Ob sie sich genötigt fühlt? Verspricht sie sich Macht, Einfluss, Reichtum durch diese Verbindung? Alles offen. Sie kommt zu David, die beiden werden ein heimliches Paar. Dann ist sie schwanger.

Jetzt wird es schwierig. Wie kann man diese Schwangerschaft erklären? David befiehlt Uria nach Jerusalem. Der soll nach Hause kommen, kann seine Frau besuchen, soll mit ihr schlafen. Dann wird’s halt ein Sieben-Monats-Kind.

Doch Uria schläft nicht zu Hause. Er zeigt sich als Soldat von geradezu preußischer Pflichterfüllung. Er will nicht Vorteile ausnutzen, die seine Soldaten nicht haben. Vielleicht durchschaut er auch das Spiel und lässt sich nicht zum Hanswurst machen. Uria kehrt zurück in den Krieg. Der König kommt in die Klemme. Und nutzt seine Macht. Lässt Uria zu einem Himmelfahrtskommando ausrücken. Uria fällt im Kampf. Davids Weg zu Bathseba, zu einer legalen Schwangerschaft, zu einer königlichen Dynastie, zu einer scheinbar weißen Weste ist frei.

Jetzt kommt der Prophet Nathan ins Spiel. Eine Art antiker Inspektor Columbo im Auftrag des Herrn. Der diesmal mit dem Satz dazwischen grätscht: „Ich hätte da noch eine Geschichte.“

Und Nathan erzählt: Ein Armer, ein Reicher. Mit einem Schaf, mit hundert Schafen. Da nimmt der Reiche für ein Gastmahl das eine Schaf des Armen.

David ist empört. Wie es sich gehört für einen guten König. Für einen König mit Gerechtigkeitsempfinden. Für einen König, der doch auch ein bestimmtes Bild nach außen vermitteln will. „Der Mann ist ein Kind des Todes“ – so Davids moralisches Urteil. Auf eine entsprechende gesetzliche Rechtslage kann David nicht zurückgreifen. Rechtlich ist wenig zu holen. Moralisch aber geht David in die Vollen. „Wer so handelt, ist ein Kind des Todes.“

Sofort spielt Nathan den Ball zurück: Du bist der Mann.

Hier Lesung – am besten durch eine Lektorin oder einen Lektor: 2. Samuel 7-10.11-12 (in der Perikope sind die Verse 11 und 12 ausgelassen, wohl um das Gottesbild der Gemeinde nicht zu sehr zu erschüttern. Oder um nicht den Eindruck eines gewalttätigen Gottes aufkommen zu lassen.

Wer will, mag sich selbst vor Augen führen. Wir hören Gottesrede. Aber aus dem Mund des Nathan. Gibt es hier vielleicht doch Differenzen?)

Wer will kann hier unterbrechen und einen interaktiven Teil einbauen. Ähnlich, wie auch in Theatern etwa in Schirachs Drama „Terror“ unterbrochen wird zu Umfragen oder gar zu einer Abstimmung

Man könne Antworten äußern lassen oder einsammeln aus der Gemeinde:

  • Was wird jetzt geschehen? Wie wird David antworten?
  • Und wie geht die Bibel weiter mit David um?

Evtl. mit Zetteln zum Ankreuzen samt Auswertung?!

Wie bei Columbo hat Nathans Art zu fragen zum Erfolg geführt. Bei Columbo wäre der Film jetzt zu Ende. Die Gerechtigkeit nähme ihren Lauf. Untersuchungshaft, Verhandlung, Urteil, Strafe.

Auch im 2. Samuelbuch muss David sich geschlagen geben. Muss bekennen: Ich habe gesündigt gegen den Herrn. Seine PR-Berater hätten ihm vielleicht anderes empfohlen.

Doch nach dem Gespräch mit Nathan liegt die Wahrheit offen. Der König gesteht ein: „Ich habe gesündigt.“ Ich habe Falsches getan. Ich habe mich gegen Gott gewandt.

Da sagt ihm der Prophet – Sprachrohr Gottes an dieser Stelle – Gottes Vergebung zu. David wird nicht sterben, wie er es selbst gefordert hat.

David bekennt. Gott vergibt. Zwischen Gott und dem Sünder ist die Sache bereinigt.

Bekenntnis und Zuspruch der Vergebung: ganz ähnlich wie in einem unserer Buß- und Bettagsgottesdienste.

Doch eines bleibt deutlich. Wenn auch alles in Ordnung ist zwischen David und Gott – wie steht es mit all den anderen Beteiligten? Davids Tat hat nicht nur das Verhältnis zwischen Gott und David beschädigt. Längst hat es Kreise gezogen. Andere Menschen sind involviert. So vieles ist offen, ungesühnt, fraglich. Urias Tod. Die Blamage, die David Gott zugefügt hat vor dessen Feinden. Und wie steht es mit den Folgen von Davids Tat für die Zukunft? Auch die Vergebung kann nichts zurückholen.

Liebe Gemeinde, zu Recht hat der mittelalterliche Missbrauch des Ablasses, hat die Methode, Geld zu beschaffen für die Kirche, für Stiftungen, Bauten oder Ausstattung durch Druck, Drohung und Missbrauch geistlicher Autorität zu Misstrauen geführt und Widerstand. Es ist richtig: Gottes Vergebung kann nicht abhängen von Zahlungen und Spenden.

Die Gefahr dabei: materiellen Ausgleich und Wiedergutmachung zu unterschätzen. Gefahr dabei: zu meinen, mit der Bereinigung des Gottesverhältnisses, mit Gottes Vergebung, sei auch alles bereinigt zwischen Mensch und Mensch. Doch dem ist ja nicht so.

Der Todesstrudel, in den David hineinführte, ist wirksam geblieben. Auch das Kind gerät da hinein. Der biblische Text lautet: Der Herr schlug das Kind. Für uns befremdlich. Für David ist klar: er selbst hat dafür Verantwortung. Später wird ein anderer Sohn Davids mit Bathseba den Thron erben, ein Großer werden in seinem Volk, er wird Gottes Tempel bauen.

Für uns heute muss deutlich werden: Unser Tun hat Folgen. Folgen für andere Menschen.

Ob es Taten sind zum Leben oder Taten zum Verderben – sie wirken sich aus. Sie wirken sich selbst dann noch aus, wenn Gott uns nichts nachträgt. Wenn Gott vergibt.

Ob die, die unter unseren Taten leiden, uns vergeben, steht auf einem anderen Blatt. Danach müssen wir eigens fragen. Ob uns Menschen vergeben, an denen wir schuldig geworden sind. Und zuletzt auch ob wir Menschen vergeben können, die sich an uns versündigt haben.

Vergebung lässt sich nicht erzwingen. Nur erhoffen.

Vergebung kann ich schenken. Nicht erwarten.

Vielleicht finden Menschen aus Gottes Vergebung die Kraft zu vergeben. Vielleicht finden wir aus Gottes Vergebung die Kraft, den zu vergeben. Immerhin können wir eher über uns selbst verfügen als über andere. Haben für uns selbst Verantwortung zu übernehmen bevor wir solches von anderen erwarten. David bekennt seine eigene Schuld.

Und der Friede Gottes, höher als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Liedvorschläge:

EG 390, 2 Schaff in mir, Herr, den neuen Geist …

EG 440 All Morgen ist ganz frsich und neu des Herren Gnad

EG 450, 2 Deiner Güte Morgentau fall auf unser matt Gewissen

EG 235 O Herr, nimm unsre Schuld

EG 230 Schaffe in mir Gott …

Regionalteil Baden

667 Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt

EG 662 Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut


Pfarrerin Kira Busch-Wagner

Karlsruhe

E-Mail: Kira.Busch-Wagner@kbz.ekiba.de


Kira Busch-Wagner, geb. 1961, geprägt vom „Studium in Israel“, derzeit Vorsitzende der ACK Karlsruhe, u.a. Autorin seit Gründung bei den „Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext“ und Autorin beim Messbuch (Butzon und Bercker).

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