2. Samuel 12,1-10.13-15a

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2. Samuel 12,1-10.13-15a

Ein Brief an Batseba | 11. Sonntag nach Trinitatis | 28.08.2022 | Predigt zu 2. Samuel 12,1-10.13-15a | Luise Stribrny de Estrada |

Gnade sei mit euch und Friede

von dem, der da ist,

der da war und der da kommt.

Amen.

Liebe Schwestern und liebe Brüder!

In der Predigt tauchen wir heute ein in die Zeit des Königs Davids vor fast 3.000 Jahren. David spielte Harfe und dichtete Psalmen, wie den 51. Psalm, den wir vorhin gebetet haben (Anmerkung: Ich lese anstelle von Psalm 145 den 51. Psalm, der direkt auf die Geschichte mit Batseba eingeht), gleichzeitig war er ein erfolgreicher Krieger und Feldherr und mächtiger König über Israel und Juda.

David hatte von der Terrasse seines Palastes eine schöne Frau beim Baden gesehen, Batseba, die Frau des Uria, seines Feldherrn. Er bestellte sie zu sich und wohnte ihr bei. Bald danach schickte sie ihm einen Boten mit der Nachricht: ‚Ich bin schwanger geworden.‘ Wie geht es weiter? Wie wird David jetzt reagieren?

Die biblische Geschichte konzentriert sich auf die Sicht der Männer. Sie kreist um David, um Uria, den Ehemann Batsebas, und den Propheten Nathan. Ich möchte heute bewusst eine andere Perspektive einnehmen und mich an Batseba wenden, von deren Gefühlen und Gedanken wir nichts erfahren. Ich verfasse einen Brief an sie und möchte mich ihr so annähern, indem ich sie in den Mittelpunkt stelle und mich auf ihre Sicht der Dinge einlasse, wie ich sie mir vorstelle. Ich möchte in dem Brief auch meine Fragen an sie formulieren und das zu Sprache bringen, was ich nicht verstehe.

„Liebe Batseba,

ich schreibe dir, weil mich Vieles an deiner Geschichte bewegt und mir keine Ruhe lässt. Wir haben gehört, dass du schwanger von König David warst. Jetzt hattest du etwas in der Hand und warst nicht wie vorher, als er dich zu sich hatte rufen lassen, gezwungenermaßen passiv. Du konntest in einem gewissen Rahmen agieren und David musste sich zu deiner Botschaft ‚Ich bin schwanger geworden‘ verhalten. Ich vermute, dass du hin- und hergerissen warst: Du fragtest dich sicherlich, wie David sich jetzt zu dir stellen würde. Würde er das Kind als seines akzeptieren? Oder würde er versuchen, es Uria, deinem Ehemann, unterzuschieben? Tatsächlich hören wir in der Bibel, dass sein erster Plan war, Uria als Vater deines Kindes erscheinen zu lassen: David holte Uria aus der Feldschlacht zurück und nötigte ihn, zu dir nach Hause zu gehen, um mit dir zu schlafen. Aber Uria widerstand der Versuchung und übernachtete bei den Soldaten vor dem Tor. Damit fiel das Urteil über ihn. David setzte einen Alternativplan in Gang und sorgte dafür, dass Uria in der Schlacht fiel.

Als du das hörtest, hieltest du die Totenklage für Uria. Ich würde gerne von dir wissen, ob du wirklich traurig warst oder ob du erleichtert warst, weil jetzt einer Ehe mit David nichts mehr im Weg stand. Hast du Uria geliebt? Kinder hattet ihr jedenfalls keine, das war sicherlich ein Stachel. Und von David warst du sofort schwanger geworden… Vielleicht reizte dich auch das Leben am Hof, die Nähe zu König David, einer faszinierenden und mächtigen Persönlichkeit. Vielleicht hattest du dich in den König verliebt…Sicherlich band das Kind, das du erwartetest, euch fester aneinander. Jedenfalls holte David dich in seinen Palast, wo euer Sohn geboren wurde.

Wie es dann weiterging, hat dir sicherlich David erzählt, du warst nur indirekt beteiligt. Eines Tages kam der Prophet Nathan zu David, um ihm eine Geschichte, eine Parabel zu erzählen. Im Mittelpunkt stand ein armer Mann, der ein Schäflein hatte, das er liebte wie seine Tochter. Sein Nachbar war reich und hatte viele Schafe und Rinder. Als der Reiche einen Gast bekam, wollte er von seinen eigenen Schafen keines schlachten und nahm stattdessen das geliebte Schaf des armen Mannes, schlachtete es und setzte es seinem Gast vor. – Als David diese Parabel hörte, reagierte er sehr emotional: ‚Der Mann ist ein Kind des Todes‘, rief er voller Zorn aus.

Da konterte der Prophet Nathan: „Du bist der Mann!“ Und er hielt David vor, dass er Uria hatte umbringen lassen, um dich zu seiner Frau zu machen. Da erkannte David seine Verfehlungen und bekannte: ‚Ich habe gesündigt gegen Gott, den Herrn.‘ Nathan antwortete: ‚So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen du wirst nicht sterben. Aber dein Sohn wird des Todes sterben.‘

Zuerst einmal stelle ich mir vor, dass du dich über den Vergleich mit dem Schäflein, das wie eine Tochter war, geärgert haben musst. Als ob du nur ein dummes, völlig passives Tier, gewesen wärst. Und dann wurde das Lamm in der Geschichte auch noch geschlachtet – als ob du getötet worden wärst, als du mit David eine neue Ehe eingingst. Um in der Parabel zu sprechen, hätte ja der arme Mann, der Besitzer des Schäfleins, der mit Uria gleichzusetzen ist, getötet werden müssen. Die Vergleiche hinken also gewaltig. – Viel mehr aber wiegt euer Kind, das sterben sollte, damit Davids Sünde vergeben werden könnte, zur Buße für ihn. Als ob diese Strafe dich nicht mindestens genauso, wahrscheinlich noch viel mehr, getroffen hätte als ihn. Es war dein kleiner Sohn, den du stilltest, der fast noch ein Teil von dir war, und er sollte sterben für die Schuld seines Vaters! Was für ein Gott war das, der den Vater am Sohn rächte?

David versuchte, Gott umzustimmen, weinte, betete, fastete und schlief nicht. Aber euer Sohn starb trotzdem. Nichts konnte seinen Verlust wieder gut machen. Der biblische Bericht fährt fort: David tröstet dich, dann geht er wieder zu dir und du wirst ein zweites Mal schwanger. Wieder gebierst du einen Sohn, den ihr Salomo nennt, er ist der Geliebte des Herrn. Jahre später wird Salomo König und folgt seinem Vater auf dem Thron. Du, Batseba, hast eine neue Rolle als Königinmutter und ziehst souverän die Fäden im Machtgeflecht des Königshofes.

Deine Geschichte hat mich fasziniert und viele Fragen aufgeworfen.

Es grüßt dich herzlich,

Luise Stribrny de Estrada.“

Bewusst habe ich den Blickpunkt des biblischen Berichts verrückt. Ich wollte Batseba aus dem Schatten herausholen und ihr eine eigene Persönlichkeit geben. Wir wissen nur wenig, wer sie war und was sie beschäftigt hat, weil die Bibel sich auf die Männer in der Geschichte konzentriert. Dahinter kommen wir nicht zurück. Ich vermute aber, dass wir anknüpfen können an die Geschichte Batsebas, indem wir uns folgende Fragen stellen:

Lassen wir uns von anderen vorschreiben, was wir tun sollen? Wie entscheiden wir uns in Situationen, in denen ein Lebensentwurf gegen einen anderen steht? Wie sehr orientieren wir uns an unseren Kindern und lassen unser Leben durch sie bestimmen? Lassen wir uns faszinieren durch die Chance, sozial aufzusteigen und ein auch finanziell besseres Leben zu führen? Gelingt es uns, uns in einem neuen Kontext einzubringen und das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen?

Welche Rolle spielt Gott in der Geschichte Batsebas? Für mich ist Gott ein Gott der Schwachen, derer, die im Leben zu kurz kommen, die weder Gesicht noch Stimme haben. Ihrer nimmt er sich an und gibt ihnen einen Namen und Würde. „Selig sind, die da geistlich arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich“ sagt Jesus (Mt. 5,3). In dieser Geschichte müsste Gott Batseba sehen und für sie eintreten, damit sie nicht zum Objekt des Handelns Davids wird, als er sie das erste Mal in seinen Palast holt. Vergeblich suche ich diesen Gott in der Geschichte. Hier schickt Gott seinen Propheten Nathan zu David, um ihn anzuklagen. Aber ihm geht es nicht um Batseba, er tritt nicht für ihr Recht ein, sondern es geht um Uria, dem sein Besitz weggenommen wurde. Dafür wird David bestraft.

So wenig wie Gott sich Batsebas annimmt, so wenig nimmt er sich ihres erstgeborenen Sohns an. Um David zu strafen, wird er erst todkrank und stirbt dann nach sieben Tagen. Gott sucht die Schuld des Vaters an seinem Sohn heim, aber er trifft auch in das Herz der Mutter. Anstelle des Vaters stirbt der neugeborene Sohn. Ich kann nicht sehen, dass David dadurch entsündigt wird. Was ist das für ein Gott, der das Opfer eines Kindes braucht, um vergeben zu können?

Den Gott, den wir kennen, der sich auf die Seite der Machtlosen stellt, finden wir in dieser Geschichte nicht. Und trotzdem halte ich daran fest, dass es der Gott ist, der uns liebt und an den wir uns wenden können. Er wächst erst langsam heraus aus den Geschichten der Frühzeit und offenbart sich später in prophetischen Worten wie „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!…Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich lieb habe. (Jesaja 43,1.4).

Amen.

Und der Friede Gottes,

der höher ist als all unsere Vernunft,

bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus,

Amen.


Pastorin Luise Stribrny de Estrada

Lübeck

E-Mail: pastorin.stribrny@gmx.de


Biographisches: Luise Stribrny de Estrada, geb. 1965, Pastorin der evangelischen Nordkirche. Schwerpunkte im Studium: Feministische Theologie und Befreiungstheologie. 2001-2009 Pastorin der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Mexiko. Seit 2009 Pastorin in Lübeck in der Gemeinde St.Philippus, die seit dem 01.01.2022 mit zwei Nachbargemeinden zur Kirchengemeinde Marli-Brandenbaum fusioniert ist.

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