Apostelgeschichte 16,23 – 34

Apostelgeschichte 16,23 – 34

 


Göttinger Predigten im Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


4. Sonntag nach
Ostern, Kantate

21.5.2000
Apostelgeschichte 16,23 – 34


Rudolf Schmidt
Kirchenmusikalische Gestaltung
des
Gottesdienstes zum Sonntag „Kantate“


Liebe Gemeinde!

Von den Anfängen des Christentums in Europa hören wir in
dem Predigttext, der für diesen Sonntag Kantate des Jahres 2000 ausgesucht
wurde. Nach zwei Jahrtausenden Christentum also heute etwas von Anfängen:
Philippi war die erste Stadt, die Paulus auf dem europäischen Kontinent
besuchte und dort die ersten Christen zusammenführte. Paulus wird von
einer Sklavin, die als Wahrsagerin ihren Besitzern viel Geld einbrachte,
penetrant belästigt, so daß Paulus sie von ihrem Dämon befreit.
Daraufhin verfolgen die Besitzer dieser Sklavin den Apostel, er wird verhaftet
und ausgepeitscht und ins Gefängnis gebracht. Der Gefängnisaufseher
bekommt die ausdrückliche Weisung, ihn gut zu verwahren. Die
Erzählung von dem Wunder zur Mitternacht im Gefängnis von Philippi
berichtet uns dann, wie der Gefängnisaufseher, der Kerkermeister, Christ
wurde. Diese Erzählung muß nicht unbedingt als historischer Bericht
gelesen und verstanden werden – zu vieles ist doch zu wunderbar und unstimmig,
als das es sich genau so zugetragen haben müßte. Aber diese
Erzählung will doch deutlich machen, mit welcher Kraft des Glaubens die
Apostel ihre Gefangenschaft erleben und so zu eindrücklichen Zeugen des
Evangeliums und zu Missionaren selbst an diesem furchtbaren Ort werden.

Auslöser für das berichtete Wunder ist der Lobgesang um
Mitternacht der im finsteren Loch eingepferchten Apostel. Ihr Glaube macht sich
im Loben Gottes Raum und wird so für die Leser und Hörer dieser
Erzählung zum Beispiel gelebten Glaubens und Vertrauens.

Uns heute mag da die Erinnerung kommen an Dietrich Bonhoeffer, der
im Tegeler Gefängnis das so vertrauensvolle Lied gedichtet hat:

Von Guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir
getrost was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und
ganz gewiß an jedem neuen Tag.

In diesen Versen spricht sich eine Glaubensstärke aus, die
auch in der Erzählung aus der Apostelgeschichte bei Paulus und Silas im
Gefängnis zu spüren und zu erfahren ist: Das Lob Gottes in der Tiefe
des Lebens, der Angst und der Ungewißheit. Sie waren ja als römische
Bürger widerrechtlich ausgepeitscht und in den Block gelegt worden, was
mochte der neue Tag noch alles bringen,;, – und doch: um Mitternacht singen sie
Gottes Lob: Aus der Tiefe rufe ich Herr zu dir, Herr höre meine Stimme!

Unsere eigenen Gedanken gehen in diesen Tagen zu den Geiseln auf
den Philippinen, zu der Familie Wallert hier aus Göttingen, von der uns
auch berichtet wird, daß sie im Gebet Kraft finden, ihr Geschick zu
ertragen, so gut es geht.

Woher kommt solche Kraft, auch im tiefsten Tal der Angst und
Sorge, der Schmerzen und des Leides noch Gott zu loben, – wie es uns ja auch
von jüdischen Menschen aus den KZ des Dritten Reiches berichtet wird?

Bei Dietrich Bonhoeffer spricht aus seinem Lied ein ganz tiefer
Glaube, der weiß, daß Gott ihn seinen Weg führen wird, an
welches Ziel auch immer. Seine letzten Worte vor seinem Abtransport aus Tegel:
„Dies ist das Ende- für mich der Beginn des Lebens!“ sind ja ein ganz
tiefer Beweis eines festen Glaubens.

Solche Kraft des Glaubens, die auch im tiefsten Dunkel noch Gott
vertraut, wird in der Erzählung auch von den Aposteln Paulus und Silas
berichtet:. Sie gewinnen aus solchem Loben Gottes Kraft und Freiheit. Das wird
in dieser Geschichte aus dem Gefängnis in Philippi ganz deutlich: Durch
ein Erdbeben werden die Gefangenen frei, die Gefängnistore öffnen
sich, doch die plötzlich freien Gefangenen fliehen nicht, sondern sie
bleiben da und bewahren so den Kerkermeister vor dem Selbstmord: Tu dir nichts
an“ so rufen sie ihm zu, „wir sind noch alle hier“!

So kommt der Kerkermeister zum Glauben und läßt sich
schließlich taufen mit seinem ganzen Haus: Es sind fast märchenhafte
Züge, die hier erzählt werden, aber was uns in diesem Bericht aus dem
Gefängnis in Philippi vermittelt werden soll, stimmt mit unseren eigenen
Erfahrungen im Letzten überein: wem Gott die Kraft gibt, auch im tiefsten
Leid und unter Qualen von Gottes Gegenwart sich gehalten zu wissen, der kann
noch aus der Tiefe zu Gott rufen und ihn loben, – und so durch da Loben Gottes,
durch das Singen des Neuen Liedes:
Singet dem Herrn ein neues Lied,
denn er tut Wunder!

nun selbst das Wunder der inneren Freiheit zu
erfahren, auch wenn die äußere Freiheit genommen, das Leben bedroht
und belastet ist, weil die Gefahr besteht, daß es vielleicht auch sein –
gewaltsames- Ende findet.

So ist die Musik, das Singen, das Loben Gottes ein Tun, bei dem
wir unsere Lebensgrenzen überschreiten und uns zugleich eine Ahnung von
Gottes Macht und Gottes Wahrheit aufgeht, die uns ganz mit der Gegenwart des
lebendigen Gottes auch in unserem Leben erfüllen kann, wie es Johann
Franck in seinem Choral „Jesu meine Freude“ besingt:

Tobe, Welt und springe;
ich steh hier und singe
in gar
sichrer Ruh.
Gottes Macht hält mich in acht,
Erd und Abgrund
muß verstummen,
ob sie noch so brummen!

In dieser Choralstrophe, die Joh.Seb.Bach in seiner Motette
über das Lied „Jesu, meine Freude“ so eindrücklich in Musik gesetzt
hat, wird gerade in Bachs Vertonung etwas von der Freiheit des Glaubens und
Glaubenden, Gott auch in der Tiefe des Lebens zu loben, hörbar:

„Ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh…!“

An solche Erfahrungen
gelebten Glaubens will uns die Erzählung aus dem Kerker in Philippi
erinnern. Wir nehmen dann war, wie die wunder- und märchenhaften Züge
nun zum Hinweis auf den wahren und tiefen Glauben der Apostel werden, der auch
andere, wie hier den Kerkermeister, in diese gelebte Freiheit des Glaubens
hereinholt:

Der Gefängnisaufseher spürt etwas von solcher
Glaubenskraft in der Begegnung mit den beiden Aposteln, er öffnet sich ihr
– und mit der Taufe wird diese Erfahrung besiegelt.

Deutliches Zeichen solcher Kraft des Glaubens ist aber für
mich das Singen der Apostel inmitten der Nacht an dem finsteren Ort des
Gefängnisses.

Der heutige Sonntag Kantate fordert schon mit seinem Namen uns
auf: „cantate“ – „singet!“ – in solchen Lobgesang mit einzustimmen.:

„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“

Von solchem
Wunder will uns die Erzählung aus Philippi berichten – und uns zugleich
auffordern, daß auch wir in unserem Leben die Wunder Gottes wahrnehmen
und sehen.

Musik, das Singen vor allem, kann uns helfen, solchen Wundern
Gottes nahe zu kommen, weil sie selbst im tiefstem Sinne solch ein Wunder
Gottes ist:
Wort und Musik zugleich erreichen nämlich im Singen unsere
Seele und schließen sie so auf für Gottes Gegenwart und Gottes
Kommen zu uns in unser Leben.

Darum ist da Loben Gottes, auch in der dunklen Nacht des
Gefängnisses, ein untrügliches Zeichen von Gottes Gnadengegenwart und
Hilfe, die uns die Kraft gibt, unser Leben, wie es auch sei, anzunehmen als
Gottes Gabe an uns, damit auch wir zum Zeichen der Gegenwart Gottes in dieser
Welt werden, und in der Freiheit des von Gott getragenen und gehaltenen
Glaubens Gott loben und ihm danken für die Wunder, die er auch in unserem
Leben tut.

Amen.

Rudolf Schmidt
Rosdorfer Weg 6

37073 Göttingen
Tel. 0551 / 72617
Fax: 0551 /541901


Kirchenmusikalische Gestaltung des
Gottesdienstes zum
Sonntag „Kantate“

Glockengeläut

Orgelvorspiel
– das Orgelvorspiel
kann bereits als Vorspiel zum Eingangslied genutzt werden, erfolgt die
Begrüßung vor dem ersten Lied, kann das Orgelvorspiel frei
gewählt werden. Als Anregung hierzu: Das Vorspiel sollte dem Charakter des
Gottesdienstes angepaßt sein.
– Literaturhinweise: frei: J. S. Bach:
„Acht kleine Präludien und Fugen“, Präludium in C- oder
F-Dur; choralgebunden (zum ersten Lied): aus „Choralvorspiele zum EG Bd. 4
(Bärenreiter)“ „Nun jauchzt dem Herren alle Welt“

Eingangslied: EG 288 „Nun jauchzt
dem Herren alle Welt“

– Intonation oder Vorspiel aus
„Orgelvorspiele zum EG“ herausgegeben von Johannes Muntschick im
Strube-Verlag

Begrüßung (auch vor dem ersten Lied
möglich)

Psalm (Psalm 98)

Eingangsliturgie

Gebet

Epistel: Kolosser 3, 12-17

Wochenlied: EG 243 „Lob Gott getrost
mit Singen“
– Vorspiel aus „Orgelvorspiele zum EG“
(Muntschick s.o.)

Evangelium: Mt 11, 25-30
(bei nur einer Lesung
entfällt die Epistel, das Wochenlied wird zum Lied vor der Predigt)

Lied vor der Predigt: EG 363, 1+2+5+6 „Kommt her zu
mir, spricht Gottes Sohn“
– Vorspiel aus Muntschick (s.o.), oder
aus „Choralvorspiele zum EG Bd. 5“ (Bärenreiter)

Predigt

Lied nach der Predigt: EG 363, 6
„Weicht. ihr Trauergeister“
Es bietet sich hier an, kein
längeres Vorspiel zu machen, da nur eine Strophe gesungen wird. An dieser
Stelle kann auch ein anderes Predigtmachlied, nach eigener Wahl, gesungen
werden.

Credo

Abkündigungen

Lied zur Kollekte: EG 501 „Wie
lieblich ist der Maien“
– Vorspiel aus Muntschick (s.o.)

Fürbitten

Vaterunser

Segen

(an dieser Stelle könnte in einer
geübten Gemeinde noch ein Kanon gesungen werden, wie z.B. EG 563
(niedersächsischer Anhang) „Laßt uns miteinander singen loben
und danken dem Herrn“)

Orgelnachspiel
z. B. aus: „Freie Orgelmusik des
19. Jahrhunderts“ für den gottesdienstlichen Gebrauch Bd. I,
erschienen im Carus-Verlag, Präludium in G-Dur von C.H. Rinck

Alle Angaben sind lediglich Anregungen, besonders
beim Orgelvor- oder Nachspiel kann und sollte auf bereits einstudiertes
Repertoire zurückgegriffen werden, dies gilt natürlich auch für
die Choralvorspiele. Die genaue Wahl ist von der Orgel und dem Können der
einzelnen Organisten abhängig. Gerade am Sonntag Kantate würde sich
eine Zusammenarbeit mit einem Chor anbieten. Alle Literaturhinweise sind
für Organisten im Nebenamt gedacht und in recht kurzer Zeit erlernbar. Es
lohnt sich die angegebene Literatur für die Gemeinde generell
anzuschaffen, falls sie noch nicht vorhanden sein sollte.

Hildegard Schmidt
Rosdorfer Weg 6
37073 Göttingen

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