Das Grab war leer…

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Das Grab war leer…

Das Grab war leer, und der Text war leer. Und Christus lebt. | Matthäus 28,1-8 (dänische Perikopenordnung) | von Thomas Reinholdt Rasmussen | aus dem Dänischen übersetzt von Eberhard Harbsmeier |

Dies ist einer der wesentlichsten Texte des Kirchenjahres, das Evangelium vom Ostermorgen. Hier begegnet uns die Verkündigung des Auferstandenen und damit die ganze Botschaft davon, dass das Kreuz nicht das letzte Wort war, sondern dass Gott das letzte Wort hat für uns im Leben wie im Tod. Das sind entscheidende Worte auch in diesen Zeiten, wo die Welt wegen der Epidemie verschlossen ist und alles still und stumm zu sein scheint mitten in einem Lärm von Neuigkeiten und vielleicht beunruhigen Nachrichten.

Aber dann hören wir trotzdem von den Frauen, die zum Grab kommen. Das sollen wir hören. Sie kommen trauernd und suchen nach ihm, den sie lieben, und sie haben keinen Glauben daran, dass es anders ausgehen könnte. Jesus ist am Kreuz gestorben, und all ihre Träume und Hoffnungen mit ihm. Auch die Frauen haben sozusagen zugemacht und sehen keine Hoffnung mitten in der Finsternis.

Nun kommen sie zum Grabe, wo auch all ihre Hoffnung liegt, und da finden sie das Grab leer. Jesus ist nicht hier, steht da. Das Grab ist leer und Jesus ist weg.

Das ist der Kern des Osterevangeliums.

Aber das har eine weitere Perspektive. Es betrifft uns auch heute, denn da ist etwas in diesem Text, was wir vielleicht zunächst nicht sehen, das aber zu uns von einer Auferstehung spricht als einer Wirklichkeit, die auch uns betrifft, auch heute in unserer Wirklichkeit.

Denn worum geht es in diesem Text?

Jesus ist auferstanden, und das Grab ist leer. Das ist die zentrale Botschaft in einem der zentralsten Texte des Kirchenjahres. In allen anderen Predigtexten des Kirchenjahres ist Jesus die zentrale Gestalt. Wir hören davon, dass Jesus handelt, redet, erzählt, agiert, heilt und vieles mehr.

Was aber geschieht im Evangelium des Ostermorgens.

Jesus ist weg.

Jesus ist weg, nicht nur im Grabe, sondern auch im Text.

Im wichtigsten Evangelium des Kirchenjahres ist Jesus abwesend, es handelt sich nur um Worte über ihn.

Das Grab ist leer, und der Text ist auch leer.

Was geschieht hier?

Jesus ist nicht nur aus dem Grabe auferstanden, sondern auch aus dem Text.

Im Text bleibt die Verkündigung des Auferstandenen. Das ist es, was die Freude in den Frauen weckt: „Er ist nicht hier, er ist auferstanden“. Auf diese Verkündigung hin laufen sie weg vom Grabe mit großer Furcht und großer Freude, wie da steht.

Auf das Wort, dass Jesus auferstanden ist, denn sie haben nichts anderes, an das sie sich halten könnten. Das Grab könnte leer sein aus so vielen Gründen. Aber die Verkündigung sagt ihnen, dass es leer ist, weil Christus lebt. Das ist die frohe Botschaft.

Und damit laufen sie los, heraus aus dem Text in das Laben. Hinaus zu uns, wo Jesus auch ist.

Denn Jesus ist auferstanden, auch aus dem Text, und nun nimmt das Wort seinen Weg. Nun fängt es an. Und Jesus Christus im Brot und Wein des Abendmahls zu finden, wo sie uns gereicht werden.

Das ist das Unglaubliche am Evangelium von Ostern, dass das Grab nicht nur leer ist, sondern auch der Text leer ist. Da ist nur die Verkündigung, die auch an uns ergeht, und damit sind wir ganz in derselben Lage wie die Frauen am Grab. Da ist ein Wort, das zu uns von der Auferstehung Christi gesagt wird. Und von dem Wort sollen wir leben, denn der Gaube kommt aus dem Hören.

Aber wenn sowohl das Grab als auch der Text leer sind am Ostermorgen, wo ist dann Jesus? Das ist die entscheidende Frage.

Wo ist Jesus?

Und dürfen die Christen nicht unsicher werden und mit einer Antwort zögern. Wo ist Jesus? Wo ist der Auferstandene?

Er ist im Brot und im Wein, die für dich gegeben werden. Die dir gereicht werden auch in dieser Zeit, wo wir auch eine Auferstehung erwarten in dem Leben, das wir alle gemeinsam haben und wo wir das Gefühl haben, dass es mehr vom Grabe als von der Auferstehung geprägt ist. Auch in diesem Leben wird er dir gegeben.

Der Auferstehungsleib ist das Brot und der Wein, wo Jesus Christus dir direkt gereicht wird. Christus wird uns gereicht, und Gott schafft hier eine Beziehung zu uns, die auf der Liebe beruht, mit der er die Welt liebt.

Den Christus verschwindet nicht einfach. Das wäre eine unglaublich traurige Geschichte, wenn es damit endete, dass Christus einfach verschwindet. Christus wird gegenwärtig in der Gemeinschaft des Glaubens, und damit im Brot und Wein und in der Verkündigung davon, dass Christus klebt.

Das ist die zentrale Botschaft. Dass das Wort im Schwang ist und befreit von der Finsternis des Grabes und der Knechtschaft des Textes. Wir glauben an das lebendige Wort, das alles neu macht und schafft. Ja, wir glauben an einen Gott, der alles neu machen kann.

Und von diesem Wort sollen wir leben, und mit diesem Wort, dass Christus lebt, steht und fällt der ganze christliche Glaube. Die Frauen erhielten die Botschaft, dass das Grab leer war, weil Christus lebt. Uns wird verkündigt, dass das Brot und der Wein sein Leib sind, weil Christus lebt. Die Frauen liefen dann los mit viel Furcht und großer Freude.

Mit der Furcht davor, dass das Wort unsicher ist, und der Freude darüber, dass es wahr ist.

Wir sind wie die Frauen. Freude und Furcht auch in dieser Zeit. Wir erhalten ein Wort, von dem wir leben können in Furcht und großer Freude. Da ist gar kein Unterschied. Christus ist derselbe für sie wie für uns. Und dasselbe Wort trifft auf dieselben Erfahrungen.

Das ist das Wort, mit dem wir leben und sterben, so wie es der dänische Liederdichter K.L. Aastrup an einer Stelle sagt:

Die Osterbotschaft ist ein Wort

vom dem, was irdisch nie geschah,

und dieses Wort ganz stille nur

und wehrlos gegen allen Spott.[1]

Von diesem Wort sollen wir leben, denn das Grab war leer, und der Text war leer, und Christus ist doch mitten unter uns mit der ganzen Fülle seiner Liebe, die den, der sich ihm anschließt zu dem Leib der Liebe macht, den wir die Gemeinde nennen.

Das Grab war leer und der Text war leer. Und Christus lebt. Das ist die ganz Botschaft von Ostern. Christus lebt – auch heute. Amen.

 

Propst Thomas Reinholdt Rasmussen

DK 9800 Hjørring

Email: trr(at)km.dk

[1] Dänisches Gesangbuch Nr. 238, 3

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