Epheser 1,18-23

Epheser 1,18-23

We’ve got the power! | Christi Himmelfahrt | 13.05.21 | Predigt zu Epheser 1,18-23| verfasst von Udo Schmitt |

We’ve got the power!

  1. Horizonterweiterung

„Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont“ (Konrad Adenauer).

Wenn die Sonne scheint, scheint sie über allen, Guten und Bösen. Wenn es regnet und der Himmel grau ist, dann gilt das für alle, Traurige und Fröhliche. Und doch kann die Wahrnehmung des einen gleichen Himmels eine ganz andere sein. Wir erleben es gleich und fühlen doch ganz verschieden.

Die, die die Sonne im Herzen tragen, sind auch an Regentagen fröhlich. Auch die dunkelste Dunkelheit lässt sie nicht finster dreinblicken. Bei Rückschlägen und Niederlagen verlieren sie nicht den Mut. So sollt ihr sein, heißt es hier im Brief an die Gemeinde in Ephesus. So sollt ihr sein, seht es doch ein, liebe Schwestern und Brüder, seht mit den erleuchteten Augen des Herzens: Ihr seid zur Hoffnung berufen. Zur Hoffnung! Ihr werdet Gottes Herrlichkeit sehen.

Schon jetzt könnt ihr seine Kraft spüren. Bei uns ist sie mächtig wirksam. An uns ist sie überschwänglich groß. Mit ihr hat er in Christus gewirkt. Durch sie hat er Christus auferweckt und ihn über alle eingesetzt. We’ve got the power! Wir haben die Kraft bei uns, an uns, in uns und mitten unter uns. Durch sie wirkt Gott. Durch uns hindurch. Durch sie wirkt Gott alles in allem.

  1. Starkstromleitung

Jesus sitzt zur Rechten Gottes. Das feiern wir heute an Himmelfahrt. Aber wir feiern damit nicht, dass Jesus fort ist. Abschiedsparty, winke, winke und goodbye? Nein, ganz im Gegenteil. Ganz im Gegenteil: Jesus bleibt mit seiner Gemeinde verbunden durch diese Kraft, die bei uns, an uns und in uns ist. Wie ein Kopf mit dem Körper verbunden ist, so ist er mit uns verbunden.

Und durch ihn haben wir jetzt einen direkten Draht zu Gott. Ein Glasfaserkabel, eine Starkstromleitung direkt in den Himmel. Wir haben einen „open channel“, einen freien Zugang rund um die Uhr, freien Empfang und WLAN an jedem Ort dieser Erde.

Kein Ort ist zu fern, keine Stunde ist zu dunkel, keine Mauer, keine Schranke hindert uns daran, frei und offen mit Gott zu reden, im Gebet. Den Akku aufzuladen mit neuer Kraft. „Gib mir Kraft!“ Drei Worte nur. „Gib mir Kraft, guter Gott, um Jesu willen!“ Denn er hat es uns gesagt: Was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, wird er euch geben.

  1. Ausgrenzung

Zu Lebzeiten war Jesus ein Grenzgänger, er ging an die Grenzen. Er war allein in der Wüste, der Versuchung widerstehend, er war allein im Garten, der Verzweiflung nah. Aber er blieb dort nicht. Er war auf den Höhen der Berge. Dem Glanz des Himmels so nah. Aber er blieb dort nicht.

Er ging hinunter zu den Anständigen und den Randständigen. Ja, auch zu den Ausgegrenzten, die in den tiefsten Erniedrigungen existierten, vegetierten. Ging hinunter und darüber hinaus, auch zu den Lebensmüden, den Sterbenden und Toten. Ging darüber hinaus.

Wurde selbst zum Ausgegrenzten. Von der eigenen Familie verstoßen, von den Leuten seiner Stadt nicht mehr verstanden, vom Freund verraten, aus dem Volk verbannt, aus der Gemeinde vertrieben, aus dem Leben. Ausradiert aus dem Gedächtnis. Wo kein Gedenken mehr ist. Bis dahin, wo nichts mehr ist. Bis in den Tod, die Vernichtung und das Nichts-mehr-Sein ging er. Und ging darüber hinaus.

  1. Grenzwertüberschreitung

Darum ist er jetzt eingesetzt zum Richter über alle. Zwischen uns Menschen sind Unterschiede. Um uns herum sind Mauern, die uns begrenzen. Man zeigt uns unsere Grenzen auf.  Über uns sind Mächte und Gewalten, feindliche und freundliche. Gegenwärtige und Zukünftige. Sie haben Macht über uns, wollen uns beherrschen. Machen Vorschriften, erlassen Gesetze, setzen Grenzwerte fest.

Aber Jesus hat sich durchgesetzt. Er ist der Durchbrecher aller Bande. Die Grenzwertüberschreitung in Person. Er hat die Mächtigen entthront, entmachtet und den Ohnmächtigen Kraft und Mut gemacht. Seine Liebe hat die Schranken zerrissen. Hat ein Loch gerissen in die Mauer.

In jede Mauer, auch die letzte, den Tod, die so hoch ist, dass sie bis zu den Sternen reicht; und keiner kann daran vorüber gehen und keiner kann darüber sehen. So hoch. So hoch! Und doch. Auch diese Mauer hat jetzt ein Loch.

  1. Liebessichtung

Alles hat Gott unter seine Füße getan. Er ist das Haupt, der Kopf. Wir sind seine Gemeinde, sein Leib, sein Körper. Er bleibt uns nah, ist bei uns, mit uns, in uns. Wir sind in ihm und er ist in uns. Überall und jederzeit. Nicht nur sonntags, wenn wir uns versammeln als Gemeinde. Auch wenn wir abends mit unseren Kindern beten, den Tag in seine Hände zurücklegen.

Wenn wir morgens aufstehen, wenn wir vor einer Prüfung stehen, kurz die Augen schließen und kurzes Gebet sprechen, nicht mehr als ein Seufzen, ein Hauchen und Ausatmen. Auch dann hilft sein Geist uns auf, stärkt uns die Kraft seiner Liebe von innen her.

Seine unsichtbare Kraft, die Menschen weltweit bewegt. Seine unsichtbare Liebe, die alles durchdringt. Die sichtbar wird, sich sichtbar macht, in Erscheinung tritt, wo immer Menschen in seinem Namen zusammenkommen, in seinem Geiste und durch seinen Geist: leiden, dulden, hoffen, – Mut machen, ermahnen, trösten, – handeln, heilen, helfen.

  1. Kraftvernetzung

So sollen wir die Welt sehen: Mit seinen Augen. Mit den erleuchteten Augen des Herzens. Und so sollen wir sein: Verbunden – mit ihm und untereinander. Ein globales „power-net“, ein weltweites Netz von Menschen, die aus seiner Kraft heraus: tun und lassen, reden und schweigen, dem Bösen widerstehen und das Gute befördern ein Leben lang und so seine Gemeinde aufbauen jeden Tag.

Wir sollen es und wir können es auch. We’ve got the power! Wir haben die Kraft bei uns, an uns, in uns und mitten unter uns. Durch sie wirkt Gott. Durch uns hindurch. Durch sie wirkt Gott alles in allem.

Darum lasst uns danken, ihm ein fettes Lob und Dankeschön schenken. Lasst uns dankbar sein für all das, was er uns gibt, an jedem Tag, den er uns schenkt. Macht euch gegenseitig Mut und bestärkt euch darin, auf seine Kraft zu bauen und seiner Liebe zu vertrauen, die alles in allem wirkt, alle trägt und jeden bewegt. Er bewahre und bewege euch und auch die, die ihr liebt!

Udo Schmitt, geb. 1968, Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland, von 2005-2017 am Niederrhein, seit 2017 im Bergischen Land.

Dorfstr. 19 – 42489 Wülfrath (Düssel)

udo.schmitt@ekir.de

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