Epheser 4,20-5,2

Epheser 4,20-5,2

Liebe Gemeinde!

In der Nachfolge des Apostels Paulus gab es sehr bald schon Theologen,
die in seinem Sinne zu arbeiten versuchten. Dazu gehört auch der
namentlich nicht bekannte Verfasser des Epheserbriefes. Man hat schon
früh diesen Brief dem Paulus selbst zugeschrieben, vielleicht hat
der Verfasser ihn auch unter dem Namen des Paulus veröffentlicht,
um dessen geistliche Autorität in Anspruch zu nehmen.

Aus diesem Brief ist der für diesen Sonntag vorgeschlagenen Predigttext
genommen. Ich lese eine etwas längere Fassung vor, die mir so schlüssiger
zu sein scheint als der Ausschnitt, der als Predigttext vorgeschlagen
ist.

Ich lese aus dem Epheserbrief Kapitel 4, 20 bis Kapitel 5,2:

Ihr habt Christus kennen gelernt, ihr habt von ihm gehört
und seid in ihm unterwiesen, wie es Wahrheit in Jesus ist. Legt von
euch ab den alten Menschen mit seinem früheren Wandel, der sich
durch trügerische Begierden zugrunde richtet.

Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn. Und zieht den neuen
Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und
Heiligkeit. Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein
jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind.
Zürnt ihr, so sündigt nicht., lasst die Sonne nicht über
eurem Zorn untergehen. Und gebt nicht Raum dem Teufel. Wer gestohlen
hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen
Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben
kann. Laßt kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern
redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen
bringe denen, die es hören. Und betrübt nicht den heiligen
Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung.
Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien
fern von euch samt aller Bosheit. Seid aber untereinander freundlich
und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben
hat in Christus,. So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder
und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich
selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen
Geruch.

Gleich zu Beginn dieses Abschnittes appelliert der Verfasser an Traditionen,
die in der Gemeinde geläufig und bekannt und darum wichtig sind,
wenn er schreibt: ihr habt Christus kennen gelernt, von ihm gehört
und seid in ihm unterwiesen. Es hat wohl von Anfang an in den christlichen
Gemeinden eine Unterweisung der Christen gegeben, bevor sie getauft
wurden, wie es sich ja auch aus dem Missionsbefehl in Matthäus
28 ergibt: gehet hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völker
, in dem ihr sie taufet und lehret halten alles, was ich euch geboten
habe..

Das also ist vom Anfang der Kirche an eine Selbstverständlichkeit,
die wir bis heute natürlich beibehalten haben und auch notwendig
brauchen. Wir können den Inhalt unseres Glaubens nur so an die
nächste Generation weitergeben. Zum Glauben gehört nicht nur
eine Kenntnis des Gemeindelebens und des Gottesdienstes, sondern vor
allem auch eine Kenntnis der Grundlagen, der Grund-Sätze unseres
Glaubens. Für mich gehören dazu die 10 Gebote, die Seligpreisungen
aus der Bergpredigt, das Vaterunser, das Glaubensbekenntnis, manche
Lieder und Psalmen und viele Texte und Geschichten aus der Bibel.

Ohne solche Kenntnis lässt sich, so scheint mir, Glaube nicht
weitervermitteln an unsere Kinder und Enkel.

In unserem Predigttext wird das Bemühen deutlich, Hinweise, Wegweisungen
für die Praxis zu geben. Richtige Kataloge lassen sich finden,
in denen der Verfasser auch auf ethisches Gut seiner Zeit gerne zurückgreift,
aber auch das, was der Apostel Paulus geschrieben hat, ist ihm wichtig,
oder der Verfasser des Kolosserbriefes, an den sich der Schreiber des
Epheserbriefes besondere eng anlehnt.

Warum geht es dabei besonders?

Es geht ihm darum dass seine Leser aufgefordert und ermutigt werden,
ein Leben zu führen, das dem Stand getaufter Christen entspricht.
In unserem Predigttext wird das mit einem Bild umschrieben: den neuen
Menschen anzuziehen, der nach Gott geschaffen ist in Gerechtigkeit und
wahrer Heiligkeit.

Viele biblische Texte, vor allem auch Paulus selbst, sprechen von dem
erneuerten Leben, dass in der Taufe begründet ist.

Aber: ist das Leben der Getauften in der Praxis so viel anders geworden,
– wenn wir z. B. uns selbst als Maßstab nehmen?

Die Ermahnungen unseres Predigttextes machen auf jeden Fall deutlich,
dass immer wieder zum Ursprung der Taufgnade zurück zukehren ist,
also zu Jesus Christus, im dem Gottes Gnade zu uns Menschen gekommen
ist und Gott so die Grundlage unseres Lebens und Glaubens gelegt hat.

Aus dieser Taufgnade heraus gilt es darum unser eigenes Leben in Verantwortung
vor Gott zu gestalten. Als Anleitung dazu sind die wortreichen Ermahnungen
zu verstehen, die in unserem Predigttext aufgelistet sind:

legt die Lüge ab,

sagt die Wahrheit;

laßt die Sonne nicht über euerm Zorn untergehen

Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, um mit seiner Hände Arbeit
dem Nächsten helfen zu können

Es soll kein schlechtes Wort seinen Weg aus eurem Munde finden, um
den Nächsten nicht zu beschweren und die Gemeinde nicht zu belasten.

Es ist also eine Ethik, die ganz stark von der Gemeinde her denkt,
von den Mitchristen und Mitmenschen. Ihn gilt es immer wieder im Blick
zu haben, damit die Gemeinschaft nicht gestört oder gar zerstört
wird, sondern, ganz im Gegenteil: gebaut und auferbaut werde.

Gewiß haben wir alle gelernt, uns zu benehmen und in der Gemeinde
zu Hause zu sein. Aber hier tritt uns eine Gemeindeform entgegen, die
viel mehr im kleinen Kreis lebt als wir es tun und vielleicht auch wollen.
Gehen uns solche ethischen, moralischen Ermahnungen im Inneren noch
etwa an, be-treffen sie uns, mich selbst?

Würde ich so angeredet, ich wäre wahrscheinlich ganz merkwürdig
berührt -, obwohl ich vor einigen Tagen ganz positiv überrascht
war, als bei einem intensiven , aber etwas lockeren Gespräch ein
Teilnehmer sagte, er wünsche nicht, dass wir so über andere
Menschen, vor allem Frauen redeten.

Aber vielleicht kommt es gerade auf so konkrete Situationen an, wo
wir gefragt und auch gefordert werden, von unserer christlichen Grundhaltung
her Profil zu zeigen und uns nicht zu verstecken, aber wie eng müssen
oder sollen oder wollen wir dabei sein ?

Mir persönlich ist beim Nachdenken darüber der Schluß
unseres Predigttextes ganz wichtig geworden, weil er über einfache
Anweisungen, die ja ganz leicht gesetzlich und als Vorschriften dann
mißverständlich werden und sein können, deutlich eine
Position angibt, die tiefer reicht und uns eine Grundlage für unser
Verhalten geben kann: So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten
Kinder und lebt in der Liebe wie auch Christus uns geliebt hat…

Damit will dieser Abschnitt aus dem Epheserbrief an einigen Beispielen
aus den Tugend – und Lasterkatalogen seiner Zeit deutlich machen,
wie eine durch die Taufe begründete christliche Lebensauffassung
und Lebensführung aussehen kann.

Wichtig werden dabei vor allem die auf das Miteinander in der Gemeinde
bezogenen Hinweise, die so in der antiken Ethik nicht verbreitet waren.

Ziel und Ausgangspunkt eines solchen Lebens in der Gemeinde ist die
von Gott erfahrene Liebe, die in Jesus Christus ihren für uns alle
noch versteh – und begreifbaren Ursprung hat. Auf sie werden wir
besonderes deutlich hingewiesen, und sie ist über die Zeiten hinweg
immer von neuem der Ausgangspunkt unseres Nachdenkens über das
christliche Leben heute

in seinen konkreten Ausrichtungen im so für uns alle so unterschiedlichen
Alltag unserer Zeit.

Die Fragen, die uns heute beschäftigen, von Hartz 4 über
den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland bis zum Zusammenleben verschiedener
Religionen nun auch in unserm Land, muß immer wieder unter dem
Grundgedanken der Liebe Gottes zu uns und allen Menschen, die in Jesus
Christus lebendige Gestalt geworden ist, bedacht werden.

Sein Leben kann dann für uns immer wieder neu zu Anfragen an unser
eigenes Leben werden.

Leben wir so, wie von Gott geliebte Menschen auf dieser Erde leben
dürfen?

In der großen Freiheit, das vor Gott als recht erkannte auch
zu tun und zu verwirklichen – in der Gemeinde, in der Politik
wie auch im eigenen Leben ?

Gottes Liebe macht uns frei, das rechte in unserem eigen Leben zu tun
damit wir es auch tun und so das Leben Gottes in Anfängen schon
hier auf der Erde gewinnen.

Amen.

Rudolf Schmidt, Pastor i.R.

p.rudolfschmidt@web.de

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