Heiliger Abend, 24.12.2008

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Heiliger Abend, 24.12.2008

Predigt zu Matthäus 1:18-25 | verfasst von Luise Stribrny de Estrada |

Liebe Schwestern und liebe Brüder!

Heute, in dieser Heiligen Nacht, wollen wir uns der Geburt Jesu auf einem anderen Weg als sonst nähern. Ich möchte die Weihnachtsgeschichte als Geschichte Josefs erzählen. Josef, der üblicherweise am Rand steht und keine grosse Rolle spielt, rückt heute in den Mittelpunkt.

Auch der Evangelist Matthäus rückt den Adoptivvater Jesu ins Zentrum.. Er erzählt uns zu Beginn seines Evangeliums, wie Josef die Schwangerschaft Marias und die Geburt des Jesuskindes erlebte. Hören wir jetzt diese andere Weihnachtsgeschichte:

Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, daß sie schwanger war von dem heiligen Geist.

Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen.

Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist.

Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.

Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14):

„Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns.

Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.

Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.                                                                      (Mt. 1,18-25)

Josef steckt in Problemen: Da ist seine Verlobte schwanger, aber er weiss, dass er nicht der Vater sein kann. Er ist verletzt und gekränkt, denn sie musss sich ja mit einem anderen Mann eingelassen haben. Und er hatte ihr vertraut und an eine gemeinsame Zukunft geglaubt! Was für ein Dummkopf war er gewesen! Bald wird das ganze Dorf über ihn lachen! Was soll er jetzt tun? Josef überlegt hin und her und kommt zu dem Schluss, dass er Maria am besten heimlich verlassen wird. Er kann doch nicht so tun, als ob nichts geschehen wäre, das lässt sein Stolz nicht zu! Aber er will Maria auch nicht blossstellen, indem er auf einer Scheidung in aller Öffentlichkeit besteht. Also beschliesst er, sich ohne grosses Aufheben davonzustehlen.

Aber etwas kommt ihm in die Quere. Ein Engel tritt ihm im Traum in den Weg. Dieser Engel sagt zu ihm: „Das Kind, das Maria erwartet, ist vom Heiligen Geist. Es ist der Heiland, auf den ihr so lange gehofft habt, und er wird sein Volk retten.“

Als Josef aufwacht, steht er vor der Entscheidung, den Traum ernst zu nehmen oder ihn einfach zu vergessen und wegzugehen wie geplant. Josef kann glauben, dass Gott in diesem Traum zu ihm gesprochen hat, und das verändert alles. Er entscheidet sich, das zu tun, was ihm der Engel befohlen hat und das Kind als sein eigenes aufzuziehen. Damit sagt er „Ja“ zu dem, was Gott mit ihm vorhat. Keiner kann ihn dazu zwingen, auch Gott nicht. Josef stimmt zu, bei Maria zu bleiben und und die Verantwortung für das Kind zu übernehmen. Josef ist keine Schachfigur, die Gott bewegt, wie es ihm gefällt, kein Instrument, das Gott einfach gebrauchen kann, um seinen Plan zu erfüllen, sondern ein Mensch mit der Fähigkeit sich zu entscheiden. Er sagt Ja und lässt sich so hineinziehen in die Geschiche Gottes mit den Menschen.

Darin gleicht er Maria. Auch sie war ja einem Engel begegnet, der ihr ankündigte, dass sie den Sohn Gottes zur Welt bringen würde. Sie fragte zuerst einmal kritisch nach: „Wie kann das sein, wo ich doch mit keinem Mann zusammengewesen bin?“ Erst als der Engel ihr erklärt hatte, dass sie durch Gottes Geist schwanger werden würde, stimmte sie zu und sagte: „Es soll so geschehen, wie du es gesagt hast.“

Beide, Maria und Josef, sagen ja zu dem, was Gott mit ihnen vorhat und werden so die Eltern Jesu. Josef wird vor Tatsachen gestellt, die er nicht selbst geschaffen hat und soll die Vaterschaft für ein Kind übernehmen, das er nicht gezeugt hat. Leicht könnte er das alles abschütteln und hinter sich lassen, aber er bleibt. Er übernimmt die Verantwortung für dieses fremde Kind, das da in Marias Bauch heranwächst, und zieht es als sein eigenes auf. Er lässt sich von Gott hineinnehmen in die Geschichte seines Sohnes, dieses besonderen Kindes, dem er auf Geheiss des Engels den Namen „Jesus“ gibt, was bedeutet „Gott rettet“.

Der Evangelist Matthäus nennt Josef einen frommen Mann. Seine Frömmigkeit zeigt sich darin, dass er mit Gott rechnet und dass er bereit ist, auf seine Botschaft zu hören. Er glaubt, dass Gott eine Aufgabe für ihn hat, dass er mit seinem Leben etwas vorhat. Was er, Josef, tut und wie er sich verhält, ist nicht beliebig, sondern verändert den Lauf der Dinge. Was wäre passiert, wenn er weggegangen wäre? Unter welchen Umständen wäre Gottes Sohn dann zur Welt gekommen und aufgewachsen?

Josef bleibt, weil er glaubt, dass Gott ihn braucht. – Erleben wir das auch? Spüren wir, dass das, was wir tun, bei Gott eine Bedeutung hat? Sicher ist das eine Frage, die jeder von uns sich nur selbst beantworten kann. Ich glaube aber, dass wir von uns selbst nicht zu klein denken sollten. Gott wird uns nicht dazu berufen, Vater oder Mutter des Retters der Welt zu werden, aber er hat auch für uns eine Aufgabe und einen Platz, an den er uns stellt. An uns ist es zu entdecken, wo Gott uns nötig hat. Vielleicht ist es unser Auftrag, anderen von unseren Erfahrungen mit Gott zu erzählen, so wie die Hirten es taten, nachdem sie das Kind in der Krippe gesehen hatten. Oder Gott braucht uns dazu, jemanden zu besuchen, der krank ist, um ihn zu trösten und ihm beizustehen. Vielleicht ist es auch unsere Aufgabe, ein klärendes Wort zu sprechen in einer verfahrenen und schwierigen Situation, damit sich etwas lösen kann. Gott kann uns brauchen an dem Ort, an dem wir stehen und in unserem Alltag. Wir brauchen keine Wunder oder Heldentaten zu vollbringen, sondern sollen mit offenen Augen und Ohren Gottes Botschaften an uns entziffern und in seinem Sinne handeln.

Das wünsche ich Euch und uns zu diesem Weihnachtsfest: Dass wir wie Josef mit Gott rechnen und offen dafür sind, dass er uns gebrauchen kann. Gott wird Wege finden, zu uns zu kommen: im Traum, durch seine Engel oder in seinem Sohn Jesus Christus, der uns retten will. In ihm spüren wir Gottes Liebe, die alle Hindernisse überwindet. Er kommt zu uns in dieser Heiligen Nacht, er will uns anrühren und bei uns bleiben. Gott taucht unser Leben in sein Licht und macht es heil.

Amen.

Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle unsere Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

de_DEDeutsch