Hiob 2,1-10

Hiob 2,1-10

Dem Leben verbunden bleiben | Invokavit | 26.02.2023 | Hiob 2, 1-10 | Suse Günther |

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN

Es begab sich aber eines Tages, dass die Gottessohne kamen und vor den Herrn traten, dass auch der Satan unter ihnen kam und vor den Herrn trat.

 Da sprach der Herr zum Satan:„ wo kommst Du her?“

Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: „Ich habe die Erde hin und her durchzogen.“

Der Herr sprach zum Satan:“ Hast Du Acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit, du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben.“

Der Satan antwortete dem Herrn:“ Haut für Haut! Alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben. Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und sein Fleisch an: Was gilt es, er wird dir ins Angesicht absagen.“

Der Herr sprach zum Satan: „Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben.“

Da ging der Satan hinaus vor dem Angesicht des Herrn und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle bis zum Scheitel. Und der nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche.

Und seine Frau sprach zu ihm: „Hältst Du noch fest an deiner Frömmigkeit? Sage Gott ab und stirb.“

Er aber sprach zu ihr: „Du redest, wie die törichten Frauen reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott, sollten wir da nicht auch das Böse annehmen?“

In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort. Und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

Liebe Gemeinde!

Wenn Menschen eine schwerwiegende Diagnose bekommen, dann steht auf einmal ihr ganzes Leben Kopf. Alles, was vorher wichtig war, verliert an Bedeutung.

Zu Anfang kann man nicht fassen, was einem da mitgeteilt wurde. Dann aber beginnt man zu kämpfen. Eine Zweitmeinung wird eingeholt, das Internet befragt,  Bücher werden gewälzt.

Auch die, die so etwas vorher weit von sich gewiesen hätten, klammern sich an jede nur mögliche Behandlungsmethode, setzen sich schrecklichen Therapien aus oder  lassen sich in Studien für noch nicht zugelassene Medikamente aufnehmen, um noch Lebenszeit herauszuschlagen.

Eine zutiefst menschliche Reaktion, die uns auch im heutigen Predigtext aus dem Buch Hiob beschrieben wird.

Dieses Buch ist in mehreren Schichten entstanden, es gibt außerdem in vielen antiken Kulturen Vorläufer, denn eine ein so verständliches und typisches menschliches Verhalten ist kein Phänomen unserer Tage. Bei dem Buch Hiob handelt es sich also auch um eine Beispielerzählung, aus der wir lernen sollen. Nicht um ein Geschichtsbuch, das wiedergibt, was genauso passiert ist. Mit Hiob wird ein Mensch beschrieben, der sich in schwerem Leid so verhält, dass wir uns an ihm orientieren können, wir uns in ihm wiedererkennen können.

Folgerichtig werden die Worte, die wir heute als Predigttext gehört haben sehr lebendig erzählt: Gott und Satan stehen sich ebenso Rede und Antwort wie Hiob und seine Frau das tun. Wir werden mithineingenommen in das, was sich zwischen den Gesprächspartnern abspielt, wir hören zu, wir bilden uns eine eigene Meinung.

„Alles, was ein Mann hat, gibt er für sein Leben.“ Das ist bis heute so. Alles, was ein Mensch besitzt wird er drangeben, um vielleicht doch noch das  Medikament aus Amerika zu erwerben oder eine besonders vielversprechende Behandlung, die von der Krankenkasse nicht bezahlt wird. Wir klammern uns ans Überleben um jeden Preis. Das ist glücklicherweise in unseren Genen seit Jahrtausenden so angelegt. Denn wie schlimm wäre es, wenn wir beim kleinsten Gegenwind aufgeben würden.

Wenn ich mir die Bilder aus den Erdbebengebieten in der Türkei und Syrien ansehe oder die der Bootsflüchtlinge, die eine unvorstellbare Tortur auf sich nehmen, um ihr Überleben zu sichern, dann wird das einmal mehr deutlich.

So viele Jahre Krieg: Freunde, Familie und Heimat verloren und nun von einem schrecklichen Erdbeben heimgesucht? Da müsste einer doch aufgeben. Das Gegenteil ist der Fall: Mit den Händen wird noch in Temperaturen unter Null nach dem gegraben, was von dem bißchen Besitz übrig geblieben ist. Und vor allem nach Menschen gesucht, die vielleicht überlebt haben könnten.

Eine Beispielerzählung ist das, was uns von Hiob überliefert ist. Beispielerzählungen sind auch das, was an Nachrichten zu uns gelangt: Keine Frage, das ist alles wirklich passiert. Also: Geschichte.

Beispielhaft ist es in sofern, als uns Beispiel gegeben wird, wie Menschen sich verhalten angesichts schwerer Schicksalsschläge. Die, die es direkt betrifft. Und die, die von außen her mitfühlen. Die vielleicht doch etwas spenden, auch wenn sie selbst nicht viel haben. Die sich mit einer Hilfsorganisation auf dem Weg machen um vor Ort mitzuarbeiten. Die in Gebeten und Gedanken verbunden bleiben.

Auch diese Menschen gibt es im Buch Hiob, sie werden später erwähnt, nach unserem Predigttext. Die Freunde Hiobs versuchen, ihm zur Seite zu stehen. Sie versuchen es, es gelingt ihnen aber nicht besonders gut. Denn sie tun das, was auch wir bis heute tun, wenn wir miterleben, dass andere schwer getroffen werden: Sie versuchen Antworten zu finden, warum das alles geschehen ist. Sie finden allerdings Antworten, die ihnen selbst am meisten helfen. Nicht dem Betroffenen. Zu schnell sind wir selbst oft dabei, andern zu raten. Weil wir dann selbst mit dem Leid auf dieser Welt besser umgehen können. Dabei gibt es angesichts des Leides keine schnellen Antworten. Es gibt erst einmal die Frage danach, was dem andren jetzt wirklich hilft.

Was hilft in der Türkei, in Syrien. Tatkräftige Unterstützung, warme Unterkünfte, Lebensmittel, Blutspenden und Infusionen, medizinisches Personal und vieles mehr.

Was hat Hiob geholfen? Hiob, der in unserem Predigttext als besonders gottesfürchtig beschrieben wird, findet Hilfe in seiner Beziehung zu Gott. Zu Gott, dem er auch seine Fragen ins Gesicht schreien darf. Der aber immer sein Gegenüber bleibt, dem er das zumutet. Alle die Fragen, die Vorwürfe, alle das Leid.

Eine ganz besondere Beziehung ist das  zwischen Gott und Hiob. Nicht nur von Hiobs Seite aus, sondern auch von Gottes Seite aus. Hiob ist es, der von Gott als besonders rechtschaffen beschrieben wird, der Gott besonders am Herzen liegt.

Von „Gottessöhnen“ ist im Predigttext die Rede. Als „Gottessohn“ werden manchmal Könige bezeichnet (vgl Psalm 2), denen die Gotteskindschaft bei der Inthronisation zugesprochen wird. Aber auch heidnische Götter, die bis zum 7.Jahrhundert eine Rolle spielten auch in Umfeld der jüdischen Religion und erst von König Josia (640-609) in die zweite Reihe verbannt wurden, wovon unser erstes Gebot (ich bin der Herr, Dein Gott, Du sollst keine anderen Götter neben mir haben) Zeugnis gibt. Verschiedene Götter mit verschiedenen Zuständigkeiten, wie wir sie aus anderen Kulturen kennen. Zu ihnen gehört auch der Satan, der die Aufgabe des Herausforderers, des Anklägers.

Angesichts der innigen Beziehung Gottes zu Hiob verlieren aber diese Gottessöhne an Bedeutung, denn: Hiob ist Gott wichtig, er liegt ihm am Herzen.

Umso mehr stellt sich dann allerdings die Frage, warum gerade diese eine, der Gott so viel bedeutet, so schwer geprüft wird in dieser beispielhaften Erzählung. Ist es wirklich so, wie es ein altes Sprichwort sagt: „Wen Gott liebt, den züchtigt er“?, oder ist auch das wieder nur einer unserer menschlichen und unzureichenden Versuche, Antwort zu geben auf etwas, was nicht zu beantworten ist?

Ja, die Frage nach dem Grund des Leides ist tatsächlich nicht allgemeingültig zu beantworten. Manchmal findet man für sich persönlich die eine oder andere Antwort. Trotzdem sind wir nicht machtlos. Was wir tun können, wenn wir miterleben, wie andere schwer getroffen sind, ist dies:

Mitfühlen, helfen, als Freunde zur Seite stehen. Ich erlebe im Krankenhaus, wie viel schon geholfen ist allein schon durch Unterstützung bei den täglichen Fahrten ins Krankenhaus, bei der Bewältigung der Aufgaben zu Hause, beim Warten in Vorzimmern der Ärzte.

Ich höre, wie viel es den Menschen in den Erdbeben-und Kriegsgebieten hilft, wenn sie erleben, dass sie von der Welt nicht vergessen sind, sondern auf Solidarität hoffen können.

Bleibt die letzte Frage: Was können wir tun, wenn wir selbst schwer getroffen sind? Es lohnt sich, sich diese Frage in den guten Zeiten zu stellen. Damit wir auf unsere persönlichen Antworten zurückgreifen können, wenn es hart auf hart kommt:

Wer oder was hält und trägt mich? An wen kann ich mich wenden? Wem auch meine Klagen zumuten?

Hiobs beispielhafte Geschichte geht letztlich insofern gut aus, als  seine Beziehung zu Gott nicht verloren geht, sondern über Höhen und Tiefen, Klage und Leid Bestand hat. Gott hält aus, was ihm zugemutet wird an Klagen und Vorwürfen. Hiob hält aus, was ihm zugemutet wird. Satan, der heidnische Gottessohn kann sich nicht zwischen diese beiden drängen. Er soll auch bei uns nicht wieder in die erste Reihe rücken.

Dass diese Entwicklung Zeit braucht, ist eine andere Sache.

Dass es Generationen brauchen wird, um in der Türkei und in Syrien Wunden zu schließen, wissen wir. Generationen, Und Menschen. Uns.

AMEN

de_DEDeutsch