Jona 2,1-11

Jona 2,1-11

Ohne Ressentiment: Das Glück der anderen | Ostermontag | 18.04.2022 | Jona 2,(1-2)3-10 (11) | Markus Kreis | 

Sanft, fast unmerklich beginnt die Abwärtsspirale. Von grünen Bergen herab wandert der Mann in die nächste Hafenstadt. Viele Kehren bremsen das Gefälle seiner Pfade, zeichnen den Weg seines Lebens vor. 

Dann vom Stadttor zum Hafenkai, von dessen Mauer übern Steg aufs Schiff, vom Deck in die Kabine hinunter, von dort wieder aufs Deck hinauf – welch schönes Verzögern – von Deck über Bord, von der Reling ins Meer, von dessen Wellenkamm in den Fischbauch. 

Betrachten wir Jonas Spurverlauf aus der Perspektive eines Vogels, also von oben, so, als ob er auf einer Ebene gegangen wäre: Das geht so schön hin und her, seine Spur sieht aus wie das Torkeln eines Trunkenen. Manchmal fast wie auf der Stelle tretend. Schlimmer geht immer, tiefer geht nimmer, vom Gebirgsregen in die Schiffstraufe in den Fischbauch. Sind wir nicht alle ein bisschen Jona?

Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. 2 Und Jona betete zu dem HERRN, seinem Gott, im Leibe des Fisches 3 und sprach: 
Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes und du hörtest meine Stimme.
 4 Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, 5 dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. 6 Wasser umgaben mich und gingen mir ans Leben, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt. 7 Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich. Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott! 8 Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN, und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. 9 Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. 10 Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen dem HERRN, der mir geholfen hat.

Eine Spitzkehre, die es in sich hat, dieser Psalmgesang. Jona macht Sushi aus dem Fischbauch. Er widmet diesen Ort um. Macht aus der Raubfischhöhle Gottes Wohnzimmer. Halt, da werden doch Äpfel mit Birnen verglichen! Stimmt zwar, tut aber nichts zur Sache. Denn es geht um eine Ungleichung. Gottes Wohnzimmer ist größer und kleiner als jeder andere Ort. Auch im Vergleich zu einem Walfischbauch. Gottes Lounge findet sich überall.

Ganz ähnlich dem verlorenen Sohn im Gleichnis. Wie der begreift Jona in der tiefsten Tiefe, dass Gott immer noch auf seiner Höhe ist. Obwohl er sich vor ihm aus dem Bergstaub gemacht hat. Was für eine Spitzkehre und Wandlung! Wo Unsereins nach Regen oft schon an der Traufe verzweifelt. Jona glaubt: Tiefe Reue hat Gott schon immer erhört. Sogar wenn das Leben einen schon anverdaut hat. Gott spricht stets: Sesam öffne Dich. Und er sollte Recht bekommen.   

11 Und der HERR sprach zu dem Fisch und der spie Jona aus ans Land.

Die Sünde kriegt Probleme mit der Verdauung. Igitt und bäh! Raus mit dem Zeug. Der lässt sich von mir gar nicht zersetzen. Wer will denn so was?! Sie spuckt Jona in hohem Bogen aus. Und gleich Gott vor die Füße, auf sicheren Boden.

Nun ist alles anders. Schnurstracks geht’s nach Ninive, Gott befohlen. Aus der verwinkelten Flucht wird ein Marsch, eins, zwei, eins, zwei, im Gleichschritt mit Gott. Eine Prozession im Auftrag des Herrn. Der Welt wird gezeigt, wer in Wahrheit das Sagen hat. 

Jona weiß: Drei Tage harte Arbeit stehen bevor. Denn die Megacity bedeckt und verbraucht riesig viel Boden. Drei Tage soll es dauern, bis man ihre Routen durchmessen hat. Ein Kinderspiel, wenn man drei Tage in einem Fischbauch zugebracht hat. Das ist härter als jeder Subway oder Boulevard. Also frisch an die Arbeit! 

Und die ist von Anfang an erfolgreich. Nicht nur, weil Jona seinem Auftrag endlich nachkommt. Ja, seine Arbeit trägt schnell Früchte. Schon am ersten Tag. Sein Wort geht blitzschnell in der ganzen Stadt um. Als hätt´ es da schon das Netz gegeben. Überflüssig, dass er überall selbst hingeht. Da braucht´s keine drei Tage mehr. Straighter geht´s nicht. 

Obwohl, das Gradaus schließt Spitzkehren ein. Den Einwohnern von Ninive geht es nämlich wie Jona im Fischbauch: von tiefer Reue erfasst. Obwohl sie voll in der Aufwärtsspirale waren. Das macht hier den Unterschied zu Jona. Sie hatten sich einen ähnlich geilen Turm wie die Nachbarn aus Babel erbaut. Tolle Aussicht, auch wenn es einen ganz schön schafft, die vielen Wendeltreppen da hoch. 

Doch Schluss jetzt mit Glanz und Gloria. Wir haben´s wohl übertrieben! Stattdessen nun Sack und Asche. Und strenges Fasten für alles Leben. Sogar dem Wasser wird entsagt. Um Vergebung bitten und Warten. Ob Gott drei Tage auf sich warten ließ? Über das wie lange verliert die Schrift kein Wort. Nur, dass Gott wie bei Jona geantwortet hat, mit einem: Sesam öffne dich! Statt Sodom und Gomorrha. 

Und die Sünde kriegt wieder Probleme mit der Verdauung. Igitt und bäh! Raus mit dem Zeug. Die lässt sich von mir gar nicht zersetzen. Wer will denn so was?! Sie spuckt Ninive in hohem Bogen aus und gleich Gott vor die Füße, auf sicheren Boden.

Und eine zweite Spitzkehre obendrauf. Ganz ähnlich dem Bruder des verlorenen Sohnes: Jona ist ob der tiefen Reue der Städter die Lebensfreude vergällt. Er macht auf dem Absatz kehrt und schickt sich in die Wüste. Nach dem Motto: Wenn die sowieso bereuen, dann hätte Gott mir den ganzen Aufwasch ersparen können. Den Fischbauch. Die Ohnmacht. Wozu das Ganze? War ja eh klar, oder?

Reue, die zu spät kommt, die kam ihm wohl kaum in den Sinn. Obwohl fast jeder weiß, was die anrichtet! Was die mit einem Leben machen kann. Manch Geschiedener weiß davon zu berichten, manch erklommene Karrierestufe, manches Krankheitsstadium, manch Verhältnis zu den Kindern. Es gibt so viele Kurven, aus denen man fliegen kann, wenn man zu spät bremst. 

Jona, der Bilanzbuchhalter mit dem Herz aus Stein, jetzt wieder blind für Gottes Tun.  Sanft, fast unmerklich hat hier eine böse Aufwärtsspirale begonnen. Auch sie tritt fast auf der Stelle. Denn sie ist wie sein Niedergang voller Spitzkehren, also voll verkehrter Wendungen und Gedanken. Moralische Empörung. Wachsendes Schmollen und gekränkt sein. Ganz oben Überheblichkeit. Die fährt so leicht auf. Die kann nur verkennen, an welch´ großem Gewicht sie sich grad übernimmt.

Auch die eigens aufgesuchte Wüstenecke kann also zum Fischbauch werden. Statt Magensäure heiße Luft, die einen austrocknet, statt Kutteln Flugsand, der einem alles abschmirgelt. Statt Dunkelheit Licht, das einen blendet und dabei verbrennt. Beide Sterbensörtchen kennen sogar ihre Botanicals. Was dem Jona im Meer das Schilf, das ist ihm in der Wüste ein Strauch, Rizinus nämlich. Beide bedecken ihm zu Zeiten das Haupt.

Im Upsidedown der Wellen ist die Sache so gelaufen: Trotz der Schilffetzen über den Augen hat Jona klar erkannt: Wenn ich in der tiefsten Tiefe bin, bin ich mit Gott immer noch auf der Höhe. Und nun, im Upsidedown der Sanddünen, die verdorrten Rizinusblätter über dem Haupt. Leuchtet Jona jetzt was ein? Und was?

Dass sein Schmollen gerecht ist, das weiß er ganz sicher. Gleiches gehört mit Gleichem vergolten! Wo kommen wir denn da hin?! Ob er auch einsieht, dass er sich mit seinem Auge um Auge wieder ganz unten befindet. Ja, obwohl mitten in der Wüste ganz unten im Fischbauch! Einverstanden, damals sah er sich mit Gott auf der Höhe, obwohl tief drunten im Meer. Diesmal ist da was anders. Diesmal stellt er sich über Gott. Als wüsste er es besser als der. Wegen seines Bilanzblicks blind. Blind dafür, dass die Einsicht der Leute in Ninive echt ist. Auch ohne die Schmachaktion im Fischbauch, auch ohne forcierte Ohnmacht. Blind für Gottes zahllos gute Möglichkeiten. Die da entspringen seiner ewigen Macht. Immer wieder Vergebung und tiefe Reue, echter Neuanfang in Gottes Namen. Aus purer Einsicht, ganz ohne Not. 

Die Chancen auf Blindenheilung und neue Sicht stehen gut in der Sonne. Es ist bei Jona im dunklen Fischbauch schon einmal gut gegangen mit der Einsicht. Mit dieser letzten aller Spitzkehren. Das wird schon werden mit dem und seiner Kränkung. Mit seinem Ressentiment für Gott und das Glück der anderen. Das wird schon werden, auch mit unseren Ressentiments. Wie vergessen eigene Ohnmacht und Leiden, Kränkung und Neid. Stattdessen Freude über Gott und sein gutes Werk in der Welt. Selbst wenn andere mehr Gutes und weniger Schlechtes abkriegen als wir. Das wird schon werden, so wahr Gott helfe. Amen. 

Markus Kreis OStR

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