(K)Eine Mission impossible

(K)Eine Mission impossible

Jubilate, 25.04.2021 | Predigt zu Apostelgeschichte 17, 22-34 | verfasst von Sabine Handrick |

Liebe Gemeinde!

Heute nehme ich Sie mit in den Süden. Haben Sie Lust auf eine kleine Kopf-Reise?

Gegenwärtig, wo das Reisen so eingeschränkt ist, wären wir gern mal anderswo,

dort wo die Sonne lacht, die Temperaturen angenehm und die Menschen freundlich sind,

wo die Wellen rauschen und die Abendsonne den Wein im Glas funkeln lässt.

Doch halt stopp, ich entführe Sie nicht in ein Urlaubsparadies mit Strand und Meerblick.

Wir reisen heute in eine Metropole mit besonderem Klang: Athen, Hauptstadt Griechenlands, Wiege der Demokratie, der Philosophie und des Theaters; Zentrum der europäischen Kultur, der Kunst…

Woran denken Sie, wenn ich „Athen“ sage? …

Erinnern Sie sich, weil Sie schon mal dort waren?

Fallen Ihnen Werke des klassischen Altertums ein oder eher neuere Bilder von Demonstrationen während der Finanzkrise?

Bestimmt aber sehen Sie die Akropolis vor Ihrem inneren Auge, wie sie die Stadt überragt.

Normalerweise ist sie eine Attraktion für Heerscharen von Touristen.

Nun – heute führe ich Sie nicht auf diesen Aussichtspunkt.

Wir lassen den Parthenon-Tempel, einst der Schutzgöttin Pallas Athene geweiht, hinter uns.

Steigen wir von der Festung hinab ins Gewirr der Straßen und Gassen: Unser Weg führt über den Areopag hinunter in die Stadt. Passen Sie auf, dieser Felsenhügel ist uneben!

Unten angekommen – schauen Sie nach rechts, gleich hinter dem Brunnenhaus sehen Sie das Oberste Gericht. Und ein paar Schritte weiter liegt sie schon vor uns: die Agora, der Marktplatz der Stadt.

Hier tobt das Leben – Handel und Wandel.

Sehen Sie die imposanten, farbenfrohen Säulenhallen, die den Platz begrenzen!

Dort in der Mitte das Odeon, ein Auditorium mit 1000 Plätzen.

Tagtäglich kann man Vorträgen lauschen oder Liederabende erleben.

Und übersehen Sie linkerhand das Rathaus nicht, das sich hinter dem Tempel der Kybele erhebt.

Schlendern Sie vorbei an den Helden und Götterstatuen.

Betrachten Sie die kleinen Tempel, die im Schatten des Ares-Tempels liegen.

In der nördlichen Ecke finden Sie den 12 Götter-Altar.

Nehmen Sie sich Zeit, liebe Gäste, orientieren Sie sich am Plan, den Sie bekommen haben.

Erkunden Sie die Agora mit all ihren historischen Schätzen. Werfen Sie auch einen Blick auf die Stände der Handwerker und Kaufleute mit ihren verlockenden Waren, Früchte des Hinterlands, köstliche Weine und Gewürze aus aller Welt … alles was das Herz begehrt.

Als Paulus nach Athen kommt, hat er keine Reiseleiterin, die ihm hilft, sich in der Stadt zu orientieren.

Hinter ihm liegt ein langer Fußmarsch. Zum Glück kommt man auf den gepflasterten Römerstraßen gut voran. Wenn nur die Sonne nicht so unbarmherzig brennen würde!

Paulus ist froh über ein paar Tage Pause. Während er auf seine Reisegefährten Silas und Timotheus warten muss, bleibt ihm Zeit, die Athener kennenzulernen.

Gastfreundliche Menschen vermieten ihm einen Schlafplatz. Und es dauert nicht lange, da hat Paulus am Rand der Agora einen Ort gefunden, wo er seinen Stand aufbauen kann.

Als Zeltmacher kann er überall arbeiten. Paulus sitzt nun unter einem Sonnensegel und tut, was er immer tut, wenn er nicht unterwegs ist: Zelte nähen. Das kann er gut. Seine Hände stechen die Nadel geschickt durch den schweren Stoff.

Sein Werkzeug hat er immer dabei. Leinen kaufte er von einem Tuchhändler aus Kilikien und ein paar Lederreste vom Gerber um die Ecke.

Während Paulus näht, bleiben die Leute gern bei ihm stehen. Nebenbei verwickelt er sie in ein Gespräch. Und die Athener staunen nicht schlecht, wie sprachgewandt und gebildet so ein einfacher Zeltmacher sein kann. Immer wieder ist er umringt von Menschen. Die sprichwörtliche Neugierde der Athener ist wohl kein Klischee.

Für jedes Sonnensegel, das fertig wird, findet sich sofort ein Käufer. Paulus freut sich, dass seine Ware so guten Anklang findet. Doch eigentlich kam er nicht in die Stadt, um Planen und Zelte zu verkaufen, sondern um die Botschaft von Jesus Christus unters Volk zu bringen.

Mittlerweile hat Paulus erfahren, wieviel Wert die Athener auf ihre intellektuelle Ausstrahlung legen. Kaum einer, der nicht beiläufig erwähnte, bei welchem Philosophen er studiert hätte oder der mit Paulus über die neueste Theateraufführung sprechen wollte.

Paulus sieht, wie die gelehrten Herren mit ihren eifrigen Schülern in den Säulenhallen auf und ab gehen. Die Attalos-Stoa hat er gut im Blick und die Rednertribüne davor ebenso.

Er beobachtet sie, während sie diskutieren.

Ab und zu dringen ein paar Wortfetzen an sein Ohr.

Worüber sich die Philosophenschulen streiten, das interessiert ihn als ehemaligen Pharisäer sehr.

Ein gutes Streitgespräch weiß er durchaus zu schätzen.

Den griechischen Philosophen geht’s ums Glück im Leben und das Heil der Seele.

Doch wie der vernünftigste Weg dahin zu finden sei, darüber scheint man sich uneins.

Stoiker betonen die politische Verantwortung des Einzelnen als Teil des Ganzen. Sie ziehen daraus ethische Konsequenzen und fordern die Einhaltung bestimmter Regeln.

Epikureer hingegen wollen das Leben genießen und wehren sich gegen alles, was die individuelle Freiheit einschränkt. Sie leben eher nach dem Lustprinzip.

Kommt Ihnen das bekannt vor, liebe Reisegäste? Manche Auseinandersetzung in unserer heutigen Gesellschaft entsteht an ähnlichen Bruchlinien, oder?

Doch zurück zu Paulus, der allmählich eine Idee davon bekommt, wie die Athener ticken. Und wie sehr der Putz bröckelt hinter der stolzen Fassade, das hat er auch durchschaut: Der einst so mächtige Stadtstaat ist mittlerweile auf Provinzniveau geschrumpft. Die wenigen tausend Einwohner, die noch in Athen leben, sind kein Vergleich zu Handelsmetropolen Ephesos oder Thessalonich.

Die Bürger Athens ruhen sich auf ihrer einstigen Größe aus‘, denkt Paulus. ‚Während Macht und Einfluss längst in große Hafenstädte abgewandert sind, wandeln sie hier durch ihre philosophischen Gedankengebäude.‘

Eines Nachmittags kommt eine Gruppe junger Männer zum Stand des Zeltmachers herüber. Alle reden durcheinander: „Was will denn diese Saatkrähe schon sagen?“ hört Paulus. Andere halten dagegen: „Er scheint von fremden göttlichen Mächten zu erzählen, die wir noch nicht kennen. Das ist doch interessant.“

Paulus schweigt lächelnd. ‚Wollen die Studenten mich etwa beleidigen?‘

Er wartet ab und im Stillen: ‚Von wegen Körnerpicker, Saatkrähe – euch werde ich was erzählen!‘

Als sie direkt vor Paulus stehen, fragt einer: „Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du vertrittst? Komm doch mit auf den Areopag, dort kannst du uns erzählen, worum es geht!“

Paulus lässt sich das nicht zweimal sagen und geht mit ihnen.

Auf dem Areopag-Hügel steht er dann vor den jungen Männern und ihren Lehrern und hält seine Rede.

Lukas vermittelt uns in der Apostelgeschichte einen Eindruck davon. Die Areopag-Rede wirkt fundiert und tiefgründig. Paulus knüpft eigentlich recht geschickt bei seinem Publikum an. Dennoch scheitert er mit seiner Absicht, den Athenern die Botschaft von Jesus Christus nahe zu bringen.

Es gelingt ihm nicht, die Menschen zu überzeugen. Die Einen lachen ihn aus – die Anderen gehen einfach fort und lassen ihn stehen… „Das kannst du uns später mal genauer erzählen.“ … und weg sind sie.

Hat er etwas falsch gemacht?

Als Einstieg wählt Paulus die vielen Tempel und Altäre, die er in der Stadt gesehen hat. Er lobt die Zuhörer für ihre Gottesfurcht, dass sie sogar unbekannte Götter verehren, die sie noch nicht kennen. Doch einen gewissen, kritischen Unterton kann er nicht verbergen. Paulus hält die griechische Religiosität für oberflächlich und abergläubisch.

Wie er die Kurve kriegt, von den „Unbekannten Göttern“, so lautete eine Inschrift an jenem Altar – zu „Dem unbekannten Gott“ – (Singular!), das ist schon geschickt.

Natürlich geht es ihm um den einen, den einzigen Gott, den Schöpfer der Welt, der sich Israel offenbart hat und nun aller Welt verkündigt werden sollte.

Doch die Brücke zu bauen von den griechischen Göttern zum biblischem Gott, gelingt Paulus nicht!

Er redet ja von einem Gott, der sich nicht in Bilder und Figuren pressen und keine anderen Götter neben sich gelten lässt, wie es das biblische Bilderverbot (Ex 20,3) ausdrückt.

Damit können aber die Griechen nichts anfangen. Sie sind von unzähligen Götterstatuen und Heldenepen umgeben und völlig anders geprägt.

Obwohl Paulus versucht, auf sein Publikum einzugehen, sich in Sprache und Stil anzupassen, fällt seine Botschaft nicht auf fruchtbaren Boden. Als Redner ist Paulus weder attraktiv noch gewinnend. Seine Zuhörer sehen in ihm lediglich einen einfachen Handwerker mit krummen Beinen und zerstochenen Fingern.

Nicht mal mit einem philosophischen Zitat des Dichters Aratus kann er punkten. Die Griechen nehmen den Gesprächsfaden nicht auf, den er ihnen anbietet.

Als er bekräftigt, dass wir alle „in Gott leben, uns bewegen und sind“, wollen sie den Gedanken von Paulus nicht weiterführen. Sein Impuls, umzukehren und Gott ganz neu zu denken, stößt auf gar keine Resonanz. Die Sache ist bereits gelaufen, als Paulus von Jesus, der Auferstehung und der Gerechtigkeit Gottes anfängt.

Die weisheitsliebenden Griechen missverstehen das gründlich und beginnen zu spotten.

Sie wenden sich ab und zeigen ihr Desinteresse deutlich. Sie gehen einfach.

Lediglich zwei Zuhörende verhalten sich anders.

Dass Lukas Damaris und Dionysius erwähnt, die beide zum Glauben finden, wirkt wie ein versöhnliches Trostpflaster zum Abschluss der Geschichte.

 

Nun, was denken Sie, liebe Gemeinde?

Haben sich die ganzen Mühen gelohnt oder ist „außer Spesen nichts gewesen“?

Ich vermute, dass Paulus selber diese Rede auf dem Areopag als einen gescheiterten Versuch verbucht hat.

Die Frage ist nur, warum wir überhaupt noch darüber reden und warum Lukas es für berichtenswert hält. Die Apostelgeschichte bewertet Aufwand und Nutzen trotzdem als positiv.

Sie zeigt die „interkulturelle Kompetenz“, die Paulus aufbringt. Wie er sich auf die Gewohnheiten, Denkweisen und Kultur seiner Gesprächspartner einließ und Anknüpfungspunkte fand, ist bemerkenswert.  Der Dialog auf Augenhöhe funktionierte. Zunächst weckte er ja das Interesse der Athener. Am wichtigsten aber war, dass sich Paulus durch seine Niederlage nicht entmutigen liess. Aufstehen, weiter gehen und auf die Kraft Gottes vertrauen, die in den Schwachen mächtig wird! Das war seine Devise.

Nun denn – wenn der Areopag in Athen nicht seine Bühne war – Paulus schüttelte sich den Staub aus der Kleidung und zog weiter zum nächsten Ort, in diesem Fall nach Korinth.

Der große Verkündiger des christlichen Glaubens hatte gelernt, dass er kein Redner war, dem die Herzen zuflogen. Dafür hatte er andere Stärken als Kommunikator des Evangeliums. Die vielen Gespräche, die er von Mensch zu Mensch führte, zeigten Wirkung. Die Briefe an die Gemeinde in Korinth sind ein eindrückliches Zeichen. Paulus wurde ein sehr erfolgreicher Theologe, Verkündiger, Ratgeber der Gemeinden, Gesprächspartner, Briefeschreiber.

Leider aber nicht für die Athener. Nach seiner gescheiterten Mission dort, ist es nicht verwunderlich, dass er wohl keinen Brief an sie schrieb.

Ich staune, welchen Mut Paulus hatte, immer wieder neu anzufangen und sich ungewissen Situationen auszusetzen, die er nicht in der Hand hatte. Paulus wagte sich auf seinen Reisen immer weiter vor auf unbekanntes Terrain. Durch seine tausende Kilometer langen Fußmärsche webte er ein weitverzweigtes Beziehungsnetz. So kam der christliche Glauben Schritt für Schritt nach Europa.

Paulus versuchte, den Juden ein Jude, den Griechen ein Grieche zu sein.

Er lehrte die Gemeinden, dass die Unterschiede, die Menschen oft trennen, unter uns Christinnen und Christen ihre Bedeutung verlieren. Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist nicht Mann noch Frau. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus. (Gal 3,28)

Mit Paulus begann, sich die Idee von der gleichen Würde aller in der ganzen Welt zu verbreiten.

Diese Überzeugung ist seitdem nicht mehr totzukriegen.

Und es bleibt eine Erfolgsgeschichte, die durch die Episode in Athen in gar keiner Weise geschmälert wird.

 

Meine Lieben: Haben wir den Mut, zu unserem Glauben zu stehen?

Wir müssen uns ja nicht unbedingt auf den Marktplatz stellen und predigen.

Doch jede/r kann in der Öffentlichkeit oder im persönlichen Gespräch zeigen, worauf wir hoffen, was wir lieben, wem wir vertrauen.

Gott gibt uns die Kraft, die Liebe und die Zuversicht, dies in der Freiheit der Kinder Gottes zu wagen.

Aber erinnern wir uns immer: offensichtlicher, schneller Erfolg ist nicht der Maßstab Gottes, sondern der unerschütterliche Glauben an den, der seine Macht erweisen wird. Amen

Liedvorschläge:

Psalmlied: Jauchzt, alle Völker, preiset alle den Herrn und seine Freundlichkeit

Laudate omnes gentes

Wir strecken uns nach dir

Bewahre uns Gott

Pfarrerin Sabine Handrick

Düdingen

pfarramt@refdue.ch

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