Komm, sag es allen weiter

Home / Bibel / Neues Testament / 04) Johannes / John / Komm, sag es allen weiter
Komm, sag es allen weiter

Lätare 14.3.2021 | Joh 12,20-26 | von Suse Günther |

 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN

Joh 12,20-26

Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. Die traten zu Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus sehen.

Philippus und Andreas sagen es Jesus weiter.

Jesus antwort ihnen und spricht: Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, ich sage euch, wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, dann bringt es viel Frucht.

Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren. Wer sein Leben auf dieser Welt loslässt, der wird es erhalten zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folgen mir nach und wo ich bin, da wird mein Diener auch sein.

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

Liebe Gemeinde!

Die Enttäuschung steht ihnen ins Gesicht geschrieben, diesen zu spät gekommenen Griechen, die extra nach Jerusalem angereist sind, um das Passahfest dort zu verbringen. Und: Um Jesus zu sehen, von dem sie schon so viel gehört haben. Der Einzug in Jerusalem ist aber nun vorbei. Diese Griechen waren nicht bei denen, die am Straßenrand standen, Palmwedel schwenkten und „Hosianna“ riefen. Das haben sie verpasst, auf der weiten Reise nach Jerusalem kann es schon einmal zu einigen Tagen Verspätung kommen, den entscheidenden Tagen.

„wir wollten doch Jesus so gerne sehen“ – so sagen sie zu Philippus, diesem jüdischen Jünger mit griechischen Namen. „Wer diesen Namen trägt, der wird uns verstehen können“ – so mögen sie sich vielleicht gesagt haben. Philippus seinerseits hat vielleicht solche Worte Jesu im Ohr wie „die letzten werden die ersten sein“. Jedenfalls beschließt er, ein gutes Wort für die Griechen bei Jesus einzulegen, und nicht wie es sonst so oft geschieht, alle abzuwimmeln, um Jesus zu schonen. Er holt sich dazu Verstärkung beim zweiten Jünger, der einen griechischen Namen trägt: Andreas.

Gemeinsam tragen die beiden das Anliegen vor Jesus: „diese Griechen wollen dich so gerne sehen“

Immer läuft es so im Umfeld Jesu: Einer sagt es dem anderen weiter. Damals, am See Genezareth, als Jesus seine ersten Jünger um sich sammelte, war nach dem Bericht des Johannes Andreas der erste, der auf Jesus aufmerksam wurde. Andreas nahm seinen Bruder Simon – später Petrus – mit. Dann traf Jesus auf Philippus, der wiederum Nathanel mitbrachte. So läuft das mit dem Glauben: Es sind andere, die uns auf den Weg bringen. Und wir nehmen andere mit. Weitersagen und weiterleben, hören und sehen.

Philippus und Andreas setzen sich ein für die griechischen Gäste. Jesus aber reagiert mit rätselhaften Worten. Verständlich, dass wir Menschen etwas sehen wollen, um uns eine Vorstellung davon machen zu können, um daran glauben zu können. Verständlich, dass die Menschen Jesus sehen wollen.

Jesus aber weiß, dass diese Zeit, wo man ihn wird sehen können, bald vorbei sein wird. Er setzt daher auf das, was bleibt, auf seine Botschaft, auf das, was man hören kann. Der Blick in die Zukunft geschieht mit Worten:

„Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde“, so kündigt Jesus das an, was ihm bevorsteht. Und erst bei sehr genauem Hinhören, entdecken wir darin eine Herausforderung.

Denn auf den ersten Blick, im Zusammenhang mit dem gerade erlebten triumphalen Einzug Jesu in Jerusalem, kann man diese Botschaft vielleicht so verstehen: „Gerade ist Jesus gefeiert worden, jetzt kommt es noch herrlicher“

Jesus legt deshalb erklärend nach: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, dann bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, dann bringt es viel Frucht“.

Jetzt wird deutlich: Hier ist vom Sterben die Rede. Wie so oft benutzt Jesus ein Bild aus der Natur, aus der Lebenswirklichkeit der Zuhörer, ein Gleichnis, das jede nachvollziehen kann: Etwas muss zu Ende sein, damit etwas Neues wachsen kann. Wer oder was soll aber zu Ende sein, worauf bezieht sich Jesu Gleichnis?

Deutlich wird das nur wenige Tage später, am Freitag derselben Woche. Da haben alle das Gehörte noch im Ohr, dieses deutliche Beispiel. Und sie haben auch den Trost, der darin enthalten ist, noch in Erinnerung: „Wenn das Weizenkorn stirbt, dann bringt es viel Frucht“.

Wer die Botschaft Jesu hören kann, der bezieht daraus Trost für die Zukunft. Am Kreuz stehen und die Worte im Ohr haben „Das Weizenkorn, das stirbt, wird viel Frucht bringen“ – das öffnet den Blick dafür, dass noch etwas kommen wird, obwohl in dieser Stunde alles zu Ende scheint.

Ja, die Menschen wollen Jesus so gerne sehen. Aber die Zeit ist zu Ende, wo man Jesus sehen kann. Und trotzdem kann man Trost darin finden, seine Worte zu hören. Wir Menschen sprechen uns diesen Trost zu, einer sagt es dem anderen weiter, von der Zeit Jesu bis heute.

Bis zum heutigen Tag hören wir sie und denken über diese rätselhaften Worte nach: „Wer sein Leben verliert, der wird es gewinnen“ – hätte damals Jesus nur dem Wunsch der Griechen entsprochen, ihnen zu begegnen, der Moment wäre heute vielleicht längst in Vergessenheit geraten. Aber seine fordernde Botschaft, die geben wir bis heute weiter.

Wir sind wie die Griechen im Text: Wir hätten Jesus so gerne gesehen. Ihn selbst erlebt. Dafür sind wir zu spät gekommen. Und doch haben wir etwas, was uns Jesus nahe sein lässt, seine Botschaft. Heute wie damals haben Christen es nicht leicht. Nach Jesu Tod wurden Christen verfolgt. Und doch haben seine Worte die Welt bewegt. Aus dem, was zu Ende schien, ist etwas ganz Neues gewachsen.
Und heute?

Wieder sind Christen Verfolgungen ausgesetzt weltweit.

Oder in Europa gerade umgekehrt: Jesu Botschaft scheint in Vergessenheit geraten zu sein, keine Kraft mehr zu haben, von der sich Menschen berühren lassen möchten.

„Wer mir dienen will, der folge mir nach“  – sagt Jesus. Viel verlangt, ich weiß. Nachfolge bedeutet eben immer auch, die heimische Komfortzone verlassen müssen. Und gerade im vergangenen Jahr, in der wir aus Vernuftsgründen so sehr auf die eigenen vier Wände und die engsten Angehörigen beschränkt waren, musste ganz neu überlegt werden, wie „unterwegs sein im Namen Jesu“ überhaupt möglich sein kann.

Wir Christen kommen zurzeit vorsichtig und spärlich wieder zusammen. Wir wissen noch nicht, wie es weitergehen wird. Wie wir uns werden treffen können. Wird das vergangene Jahr für viele bedeuten, die Verbindung Kirche und Christentum endgültig abgebrochen zu haben. Oder haben gerade umgekehrt sich manche darauf besonnen, was für sie im Leben wirklich zählt und sind dabei auf ihre christlichen Wurzeln gestoßen? Was bedeutet Dienst in diesen Zeiten? Aneinander denken, Briefe verschicken, telefonieren, aufeinander achten. Einander die gute Botschaft weitergeben, miteinander unterm Kreuz stehen, einander trösten und Trost finden in Jesu Worten.

Füreinander einstehen. Die, die rechtzeitig gekommen sind und jubelnd in der Mitte der Ereignisse stehen für die, für die nur ein Platz am Rand übrig war und für die, die gar nicht kommen konnten.

„Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren. Wer sein Leben aber loslässt, der wird es erhalten zum ewigen Leben.“

Der Evangelist Johannes benutzt für das, was wir mit „Leben“ übersetzen, das Wort „psyche“ – wir kennen dieses Wort alle etwa aus Fachbegriffen, etwa „Psychologie“, die Lehre von der Seele. Psyche bedeutet auf Deutsch „Seele“.

Ganz wörtlich müssten wir also so übersetzen: „Wer seine Seele liebt, der wird sie verlieren. Wer sie aber loslässt, der wird sie erhalten zum ewigen Leben.“

Damit wird deutlich, was Jesus gemeint hat: Wer verzichtet, wer von sich selbst absehen kann, wer nicht eigenes Seelenheil an allerhöchste Stelle setzt, der wird unsterblich sein.

Damit will uns Jesus dazu ermuntern, uns nicht zu sehr an weltliche Güter zu binden, sondern das Bewusstsein dafür zu bewahren, dass unser Leben Geschenk ist, dass wir selbst Geschöpfe Gottes sind. Wir können weitergeben, was uns selbst zuteil wurde. In einer solchen Sichtweise sind alle Menschen Gottes Ebenbild. Nicht nur die Erfolgreichen, Gesunden und Schönen. Für Gott hängt der Wert eines Menschen nicht davon ab, wie leistungsfähig er ist und wie rechtzeitig er oder sie eingetroffen ist. Jeder Mensch, auch in seiner schwersten Stunde, vielleicht sogar gerade dann, ist Abbild Gottes. Das ist das eine.

Das andere ist dies: Mit Gottes Hilfe brauche ich in schweren Zeiten nicht zu verzweifeln, denn, so sagt Jesus: „Wo mein Diener, meine Dienerin ist, da bin ich auch“: ich bin bei denen, die sich nach ihren Möglichkeiten in meine Nachfolge begeben haben.

Die Passionszeit, auch unsere ganz persönlichen Leidenszeiten, sind schwere Zeiten. Zeiten, die wir uns nicht selbst gewählt hätten. Aber auch eine Zeit der Entwicklung, an deren Ende ganz neues Leben stehen kann.

Ich wünsche mir und uns allen diese Klarheit: In der Nachfolge Jesu leben können, mit allem, was das bedeutet. Denn wer so unterwegs ist, ist immer rechtzeitig, auch in den eigenen vier Wänden.

AMEN

de_DEDeutsch