Lukas 9, 58

Lukas 9, 58

Ein Lied von N.F.S. Grundtvig zu Lukas
9,58: „Die Füchse haben
Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen
Sohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlegt“.

(128 Dänisches Gesangbuch)

1 Nest hat ein Vogel, der Fuchs seinen
Bau,
Schnecken ihr Haus mit sich tragen;
Bettler, sie ziehn mit dem Bündel ins Blau‘,
müssen um Herberge fragen;
so geht der Herr mit dem Gnadenwort
arm, ohne Obdach, von Ort zu Ort.

2 Damals, als sichtbar auf Erden er ging,
rief unser Heiland die Müden:
Kommt zu mir, schlagt um die Gnade den Ring,
ich geb euch himmlischen Frieden!
Undank als Lohn nur der Herr erwarb,
bis er am Kreuze gemartert starb.

3 Doch wo er pochet an Tür und an Tor stets mit des Wortes Goldhammer,
da kehrt die Freude wie niemals zuvor
ein in die gastfreie Kammer;
Gnade und Friede mit Himmelsfreud
gehn dort zu Herzen wie einst so heut.

4 Nest hat der Vogel, der Fuchs seinen Bau,
Schnecke ihr Haus auf dem Rücken,
Jesus hat nichts als den Himmel so blau,
kann doch mit Leben beglücken.
Jedem, der glaubt, was sein Wort verheißt,
schenkt er sein Leben und seinen Geist.

128 Den Danske Salmebog

1 Fuglen har rede, og ræven har grav,
sneglen bær‘ huset på ryggen,
stodderen han har kun pose og stav,
leder om lejet og lykken;
så går vor Herre med nådens ord
husvild og fattig omkring på jord.

2 Dengang vor Herre gik synlig omkring,
kaldte på alle de trætte:
Kommer og slår om Guds nåde en ring,
da får I hvilen den rette!
utak han fik mod al ret og skel,
til han på korset blev pint ihjel.

3 Men hvor han banker på port og på dør,
altid med ordets guldhammer,
der kommer glæde, som aldrig kom før,
ind i de mildes lønkammer;
der går til hjerte med englelyd
nåden og freden med Himlens fryd.

4 Fuglen har rede, og ræven
har grav,
sneglen bær‘ huset på ryggen;
verdsligt vor Herre har intet deraf,
han har dog livet og lykken,
deler dem ærlig med hver, som tror:
Å nden og livet er i hans ord.

Luk 9,58.
N. F. S. Grundtvig 1856.
Melodie: Th. Laub. 1921.

Derselbe Grundtvig, der darüber gedichtet hat, daß der Vogel
sein Nest hat und der Fuchs seinen Bau, hat in einem Lehrgedicht über
Bibel und den Gebrauch der Bibel die Pfarrer dazu angehalten, die Bibel
zu verschlingen, so wie Johannes im Buch der Offenbarung dazu aufgefordert
wird, das kleine Buch zu verschlingen, daß der Engel in Kapitel
10 bringt. Wer das tut, wird kein Exeget, sondern ein Prophet und Seher.

So ist Grundtvig selber Prediger, und so gebraucht er die Bibel in
seinen Liedern. Es hat sie in sich aufgenommen; sie ist Fleisch von seinem
Fleisch und Blut von seinem Blut geworden, und er redet biblisch weiter
von der biblischen Nahrung, die er erhalten hat.

So macht er das auch mit dem Worte Jesu von den Füchsen, die ihren
Höhlen haben und den Vögeln, die Nester haben – im Unterschied
zum Menschensohn, der nicht weiß, wo er sein Haupt hinlegen soll.
Er interessiert sich in seinem biblischen Lied nicht für korrekte
Bibelexegese, sondern es geht ihm darum, biblisch das weiterzugeben,
was er biblisch in sich aufgenommen hat.

Deshalb denkt er auch nicht daran, ein Fest aus den Worten über
die Situation des Menschensohnes zu machen, die bei Lukas hart klingen.
Sicher: Den Gegensatz zwischen Füchsen und Vögeln – und den
Schnecken, die er hinzufügt und dem Herrn läßt er so
stehen. Er verschweigt auch nicht, daß der Lohn, den der Herr Christus
von den Mächtigen erhielt, der war, daß er am Kreuz zu Tode
gemartert wurde. Viel mehr Raum nimmt aber in dieser Liedpredigt die
Freude ein, die der Herr durch das Wort der Gnade gebracht hat, mit dem
er umherging.

Mag sein, daß die Mächtigen sich dafür ereiferten,
daß sich die Vorstellung, daß Haus und Eigentum nicht das
wichtigste sind, sich nicht verbreiten sollte und die Macht und den Einfluß untergraben
durfte, die mit Besitz folgt. Das wird nicht vergessen. Aber das Lied
singt viel mehr von denen, die sich darüber freuten, die Einladung
zu hören, einen Ring um die Gnade zu schlagen und in ihr zu ruhen.
Darüber steht nicht viel im Text bei Lukas. Aber wenn man dieses
Lied singt, wird man daran erinnert, daß das selbstverständlich
die Voraussetzung ist.

Und das ist deshalb so, weil es dort gut ist, wo der Herr ist, damit
man lernen kann, daß Leben und Glück mehr ist als Haus und
Eigentum.

So wendet Grundtvig das Thema des Lukas. Nicht asketische Strenge bleibt
da, wenn man das Lied zuende gesungen hat, sondern Gnade, Leben und Glück.
Ist das eine Abmilderung des Evangeliums, ist das eine Verdrehung? Oder
sieht die Askese eben so aus – von innen gesehen? Das letztere können
viele bezeugen, die asketisch gelebt haben.

Bei uns gibt es ein Volksmärchen von dem Glücklichen ohne
Hemd: Ein König war krank, ihm wurde gesagt, er könne wieder
gesund werden, wenn er sich das Hemd eines glücklichen Mannes anziehe.
Er schickte seine Diener aus in Ost und West und Nord und Süd, um
einen glücklichen Mann zu finden und sein Hemd zu kaufen. Aber wo
immer sie auch Leute fanden, die glücklich zu sein schienen, war
schließlich immer irgendetwas im Wege, daß sie doch nicht
ganz glücklich waren. Schließlich fand der letzte Diener,
der an sich schon aufgegeben hatte und selbst mißmutig auf dem
Heimweg war mit der traurigen Botschaft an seinen König, dennoch
einen Holzfäller. Es war leicht zu sehen, daß er arm war,
aber er schien völlig vergnügt zu sein. Der Diener fragte ihn
nach allem, Frau und Kinder, Arbeit, aber er konnte nicht den kleinsten
Riß im Glück des Mannes finden. da bat er ihn, ob er nicht
sein Hemd kaufen könne. Das konnte er nicht. Was fehlte, war nicht
der gute Wille – sondern das Hemd! Der Mann hatte keines.

In dieser Weise gibt das Volksmärchen das Evangelium wieder. Wo
die Gnade Gottes scheint, sieht man nicht, daß das Hemd fehlt.
Das ist gesellschaftsschädlich für die, die meinen, daß das
Glück darin besteht, viele Hemden zu haben – ob sie nun schon viele
haben oder ob sie gerne viele haben möchten. Aber das ist eine gute
Botschaft in der gastfreien Kammer, in die Kammer der Milden, wie man
wörtlich übersetzen kann.

Das ist zu einfach, werden viele sagen. Mit so einem System kann die
Welt ja nicht bestehen. Nein, in der Tat. Aber immer mehr deutet darauf
hin, daß die Welt auch nicht mit dem System bestehen kann dessen
sich die Mächtigen nun bedienen.

Rektor Niels Thomsen
Ø sterende 8, Ballum
DK-6261 Bredebro
Tel.: ++ 45 – 74 71 64 01
e-mail: Niels_Thomsen@get2net.dk

 

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