Philipper 4,4-7

Philipper 4,4-7

Gott macht vernünftig Laune | 4.Advent | 18.12.2022 |  Phil 4,4-7 | Markus Kreis |

4Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! 5Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! 6Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! 7Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.

Zweimal setzt die Aversion zum Sprung an. Möchte den Text am liebsten zerbeißen und zerkauen. Einmal geht’s dabei um Gefühle, das andere Mal geht’s ums Denken. Fühlen tun wir sowieso immer und von alleine. Wenden wir uns also zuerst dem Denken zu. Jetzt sind wir noch gut dabei, da kann es mal gehoben werden.

Der Friede Gottes – höher als alle Vernunft. Das zieht einem doch die Schuhe aus, oder? Wie damals bei Mose vorm Dornbusch? Oder da wird doch gesagt: Vernunft ist nicht alles und nicht alles ist vernünftig. Was soll das denn jetzt? Glaube als Hort von Unvernunft? Paulus hat doch sehr gescheite Texte verfasst! Vielleicht hat er es so gemeint:

Keineswegs überall, wo Vernunft draufsteht, ist nur Vernunft drin. Vernunft braucht deshalb Kritik. Und die bekommt sie auf alle Fälle, mindestens von Gott. Der dominiert sie nämlich. Ob das ihren reinen Verfechtern passt oder nicht. Vernunft braucht Kritik. Denn sie ist gottlos, wenn erstens viel Unvernunft in ihr steckt. Gott steht schließlich für klare Denke und Vernunft. Vernunft braucht zweitens Kritik, weil sie auch als wahre Vernunft missraten kann. Mit den besten Absichten oder aus bösem Willen, heimlich oder offen. Sie wird nämlich gern an Gottes Stelle gerückt. Selber zum Gott gemacht, und wird so allein zum Maß aller Dinge. Meint, sich dem Einfluss Gottes entziehen zu können.

Ja, wo gibt’s denn sowas überhaupt? Vernunft, die voller Unvernunft steckt? Da braucht man sich nur die Szene der Querdenker anzuschauen. Genauer gesagt, den Quark, der da ausgedrückt und breitgetreten wird. Die haben die Wahrheit gepachtet, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, ich schwör´! Gerne auch bei Gott. Der Friede Gottes ist höher als alle solche Fehlvernunft. Gott wird falsche Gewissheit schon richten. Ist er doch der Schöpfer der Wirklichkeit, die unser Leben gestaltet.

Kommen wir zum anderen: Ja, wo gibt’s denn sowas überhaupt? Vernunft, die zum Ersatz für Gott wird. Sehen wir auf Computer und wie sie das Leben beeinflussen. Hört man auf die Häuptlinge der IT-Branche, dann glaubt man: Das bewirkt nur unendlich Gutes, die paar Probleme kriegt man locker in den Griff. Und hinter der Hand: So lange man die Macher machen lässt, und die Trottel außen vor. Dabei zeigt die Wahrheit neben viel Gutem bei der Vernetzung auch das:

Böses und Schlechtes brechen neu ins Leben ein, viel mehr ist sehr verletzbar geworden. Dank Vernetzung schlägt vieles schwerer und tiefer zu, als man so absieht: Datenklau, Geldbetrug, Filterblase, Echokammern. Künstliche Intelligenz mit Vorurteilen, die teils kriminell sind. Der endlose Wettlauf des Hackers mit dem Verschlüssler. Gewalt und Zwang mit alten Waffen und neuen Drohnen. Cyberkrieg mit Computern. Klingt doch alles sehr nach Allmacht, die ausschließlich Gutes will und bewirkt, oder? Grad´ wenn man bedenkt, dass das Gegenteil von gut gemacht wie lautet? Gut gedacht.

Der Friede Gottes ist höher als die Vernunft, die sich blind selbst zum Gott macht. Blind für ihre Blindheit und Begrenztheit. Blind für die Lücken im Wissen und Rechnen, Können und Machen. Der Friede Gottes ist höher als eine Vernunft, die zuerst die Kontrolllust der Vernünftigen bedient. Kontrolllust, die von einigen Machern und Denkern wie im Wahn befriedigt wird. Eine, die das Böse selbst dann tun, wenn sie nur das Gute will. Gott wird das mit Hilfe der Endlichkeit schon richten. Der wird bei den Menschen für neue Einsicht und gute Grenzen sorgen.

Mit dem Wort Lust kommen wir von alleine zum anderen Aufreger im Paulustext. Genug übers Denken gedacht! Kommen wir zum Fühlen. Paulus sagt: Freut euch! Freut euch unbedingt! Freut euch unter allen Umständen! Du hast Dich gefälligst zu freuen! Egal, wie bescheiden dein Leben daherkommt. Sich seines Lebens freuen – dank der Netzmedien von der Kür zum Pflichtprogramm verkommen. Lähmung der Lachmimik für Instagramm. Früher war alles anders, aber war es auch besser? Freut Euch des Lebens. Das Lied war in Preußen 1912 als Pflichtlernstoff in der 4. Klasse Grundschule gesetzt. Du hast Dich gefälligst zu freuen! Egal, wie bescheiden dein Leben daherkommt.

Ist es ein Wunder, wenn hier Widerstand aufkommt? Wenn jemand sich dagegen verwahrt? Wie zu sehen am Beispiel der Band Kraftklub und ihres Sängers Felix Kummer. Ein Liedtexter aus dem Osten Deutschlands. Der hat mit dem Lied Alles wird gut geschrieben:

Ich würd´ dir gerne deine Angst nehm’n, alles halb so schlimm
Einfach sagen, diese Dinge haben irgendeinen Sinn
Doch meine Texte taugten nie für Parolen an den Wänden
Kein’n Trost spenden in trostlosen Momenten
Im Gegenteil, fast jede meiner Zeil’n
Handelt von negativen Seitеn oder dem Dagegеnsein
Ich hab‘ keinen sicken Flow und ich schreib‘ auch keine Hits
Aber gib mir eine Strophe und die gute Stimmung kippt

Ich wär´ gerne voller Zuversicht
Jemand, der voll Hoffnung in die Zukunft blickt
Der es schafft, all das einfach zu ertragen
Ich würd´ dir eigentlich gern sagen

(Refrain) Alles wird gut
Die Menschen sind schlecht und die Welt ist am Arsch
Aber alles wird gut
Das System ist defekt, die Gesellschaft versagt
Aber alles wird gut
Dein Leben liegt in Scherben und das Haus steht in Flamm’n
Aber alles wird gut
Fühlt sich nicht danach an, aber alles wird gut

Und wär mein Großvater nicht seit fünfzehn Jahren tot
Würde er jetzt sagen: „Mensch, Kinder, wie die Zeit vergeht!“

Wenn du denkst, dass es immer irgendwie im Leben weitergeht
Holt dich Krebs straight back in die Realität
Geile Themen für Songs in diesen Zeiten
Aber „Glaub an dich, geh dein’n Weg“, schaff‘ ich einfach nicht zu schreiben
Tut mir leid, keine Sätze, die dich aufmuntern zum Schluss
Auch der letzte Track zieht einen noch runter in den Schmutz.

Refrain siehe oben

Oh, oh, was sich da auftut! Das glatte Gegenteil von Paulus und seinem: Freut euch, freut euch! Obwohl Felix Kummer keinen so schweren Kummer kennen dürfte. Jedenfalls laut dem, was von ihm zu hören und zu sehen ist, im Netz und live. Er kennt wohl eher weniger Nachstellung, Elend und Misserfolg als der damit sehr traktierte Apostel. Das neue kommt im Lied des unglücklichen Felix zwar mit Macht, unstoppbar. Es nimmt ihm aber sein schönes Leben und verschafft ihm das, was sein Nachname bedeutet. Bringt schlimme Saat. Da gibt es nichts zu deuteln. Beim armen Apostel dagegen kommt die Sorge wie ein Überfluss daher: Kummerfrei und Freud´ dabei, obwohl es in seinem Leben einsam, elend und gefährlich zuging. Muss man so eine Lage auch noch deprimiert vertiefen? Das Neue kommt auch für Paulus mit Macht, unstoppbar, bringt jedoch immer Gutes mit sich. Einen neuen Anfang und neue Energie. Und das Leben stellt sich neu auf dank Gott. Wie ist das genauer zu verstehen?

Blicken wir dazu auf einen Namensvetter von Paulus. Wie der gut bekannt mit Nachstellung, Elend und Einsamkeit. Und zugleich ein ostdeutscher Liedtexter wie Felix Kummer. Kommen wir zu, na, ahnen sie es bereits? Paul Gerhard. Der sagt: Wenn Dich das Leben deprimiert, dann geh´ aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit. Etwas, das man getrost auch in Herbst, Winter und Frühling tun und singen kann. Dem trüben Herzen den Sommer vor Augen führen und darin schwelgen lassen. Der Sommer steht nämlich fürs Wachsen, Reifen und Gedeihen. Sowie der Frühling für das Aufgehen der Saat, fürs Keimen steht. Und der Herbst dafür, dass es jedes Leben auf sein Ende zugeht, aber dabei Keime neu zur Verfügung stehen. Und der Winter für das freie Wochenende allen Lebens. Die Zeit der absoluten Ruhe. Egal bei welchem Wetter, des Menschen Jahreszeit steht in Gottes Händen. Wer sich im August sterbenselend fühlt, der mag sich in Gottes Winter finden um zur Ruhe zu kommen. Wer im Advent bibbert, kann dank Gott aufblühen auf als wär´es Frühjahr. Zurück zum Sommer, zu welcher Jahreszeit er auch immer sein möge. Sommer, Zeit der Vorfreude. Warten müssen und sich trotzdem freuen, wie es wächst und reift. Obgleich Ernte und Einbringen noch ausstehen.

Was soll bei diesem Warten schon schief gehen? Wie sich im Widerspiel der Natur ein jedes so schön und dicht verwoben ergänzt. Klimawandel hin oder her. Das Insekt kommt zur Blüte und samt Blatt zu Schnabel und Zunge. Und alles Leben labt sich an Wasser bei seinem Platz. Überall raschelt, summt und zwitschert es. Licht und Leben singen. Eine Freude, den prallen Früchten, Stengeln und Leibern beim Gedeihen zuzusehen. Schöner und leckerer als auf Teller und Tafel und als im Trog sowieso. Da muss einer schon gescheit kochen und anrichten können, um das noch zu toppen. Sommer ist Vorfreude auf den Herbst. Auf die Zeit der Ernte, des Aufsammelns neuer Kräfte und Vorräte.

Vielleicht sagen sie: Was redet der da von Sommer und Herbst? Wir haben doch Winter!  Die Zeit der absoluten Ruhe. Da haben sie recht. Das ist genau das Problem. Wenn sich nichts tut, kein Wachsen, Reifen und Gedeihen, was soll da einen vorfreudig stimmen? Wer weiß schon, wie lange die Starre hält? Die im Herbst gesammelten Kräfte gehen zur Neige, der Rest ist vielleicht zu schnell verbraucht. Wer das befürchtet, dem helfe es, im Winter an Gottes Sommer zu denken, mit seinem Wachsen und Gedeihen. Andererseits gilt: Die schöpferische Zwangspause ist immerhin von Gott verordnet. Saat und Keime warten in der Erde, der Schöpfer wird sie mit Leben anstecken.

Unsere wahre Jahreszeit steht in Gottes Händen. Sogar der Kummer weiß etwas von einer Macht, die Schlimmes abschafft und für das Leben Gutes bringt. Das zeigt ein anderes Lied, das der Felix geschrieben hat. Es trägt den Titel Bei Dir. Ja, es handelt sich um ein Liebeslied. Ja, es richtet sich an eine menschliche Person, die der Felix wohl mehr als sehr, sehr gerne hat. Und ja, es ist fragwürdig, diesen Text zu kassieren, indem der zuerst gemeinte Empfänger einfach mit Gott ausgetauscht wird. Es passt trotzdem an dieser Stelle, mehr als gut. Darin zeigt sich nämlich, dass Gott uns vernünftig Laune macht.

Ich bin ein bisschen kompliziert
Ich hab‘ nie so richtig funktioniert
Ich bin defekt, so oft mit Menschen kollidiert
Und im Endeffekt ist alles ständig eskaliert
Ich sage dauernd dumme Sachen, aber halte mich für schlau
Ich will, dass alle klatschen, ich bin süchtig nach Applaus
Ich bin zu laut, ich bin ein trauriger Clown
Heute lachen sie mit mir, morgen lachen sie mich aus
Ich kann kaum laufen
Aber sieh´ mal, wie ich tanz‘

Unsicherheit überspielt mit Arroganz
Ich hab‘ es denen, die mich mögen, niemals einfach gemacht
Dinge einfach gemacht, die man einfach nicht macht

Doch bin ich bei dir
Ist alles anders, alles inklusive mir
Du hast mich ein kleines bisschen repariert
Denn bist du da

Bin ich nicht mehr dieser Wichtel, der ich war

Amen.


OStR Markus Kreis

68167 Mannheim

Email: markus_kreis@web.de

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