Psalm 46

Psalm 46

Du bist mein Zufluchtsort | Reformationsfest | 31.10.2022 | Psalm 46 | Sabine Handrick |

Psalm 46         

Von den Nachkommen Korachs.

Ein Lied für hohe Frauenstimmen.

 

Gott ist unsere Zuflucht und Stärke,

ein bewährter Helfer in Zeiten der Not.

Darum fürchten wir uns nicht,

selbst wenn die Erde erbebt, die Berge wanken

und in den Tiefen des Meeres versinken.

Auch dann nicht, wenn die Wogen tosen und schäumen

und die Berge von ihrem Wüten erschüttert werden.

Ein breiter, mächtiger Strom belebt die Stadt Gottes,

die Wohnung des Höchsten, den heiligen Ort.

Gott ist in ihrer Mitte,

schon früh am Morgen beschützt er sie;

niemals wird sie ins Unglück stürzen.

Ringsum versinken die Völker im Chaos,

und ihre Macht wird erschüttert.

Denn Gott lässt seine mächtige Stimme erschallen,

und schon vergeht die ganze Erde.

Der HERR, der allmächtige Gott, steht uns bei!

Der Gott Jakobs ist unser Schutz.

Kommt und seht, was der HERR Großes getan hat!

Seine Taten verbreiten Entsetzen.

In aller Welt bereitet er den Kriegen ein Ende.

Die Kampfbogen bricht er entzwei,

er zersplittert die Speere und verbrennt die Kriegswagen.

»Hört auf!«, ruft er, »und erkennt, dass ich Gott bin!

Ich stehe über den Völkern;

ich habe Macht über die ganze Welt.«

Der HERR, der allmächtige Gott, steht uns bei!

Der Gott Jakobs ist unser Schutz!

(Übersetzung: Hoffnung für Alle)

Liebe Gemeinde,

wir haben am Beginn des Gottesdienst ein Lied miteinander gesungen, das wir oft und gern anstimmen, wenn wir eine Taufe feiern: „Kind, du bist uns anvertraut“.

Liebe Tauffamilie! Gott hat Ihnen das Leben dieses kleinen Mädchens in die Hände gelegt, auf dass sie geliebt und behütet aufwächst. Kennen Sie das afrikanische Sprichwort, das sagt: ‚Um ein Kind großzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.‘?

Mit diesem Gedanken wird der Kreis grösser als Mutter, Vater, Kind. Auch Großeltern, Geschwister, Patin und Pate werden für das Kind da sein und viele andere Menschen eben auch: Lehrerinnen und Lehrer, Pfarrerinnen und Katecheten, Trainer und Musiklehrerinnen, Nachbarn und Bekannte, Therapeutinnen und Ärzte … „Kind du bist uns anvertraut.“ Das sagen wir als christliche Gemeinde. Du liegst uns allen am Herzen….

L.K.C. und ihr Vater H.C.S. gehören mit der Taufe für immer zur Familie Gottes. Es ist eine seltene Situation, dass Vater und Tochter gemeinsam getauft werden und als Kirchgemeinde wir freuen uns besonders darüber…

Beim Blick auf die aktuellen Nachrichten fragt man sich allerdings: In was für eine Welt bist du hineingeboren worden, liebes Kind?! Die Wellen den Corona-Pandemie rollen über uns hinweg. Der Schrecken des Krieges hat Europa erreicht. Und im Blick auf den Klimawandel schauen wir besorgt in die Zukunft.

Liebe Gemeinde, diese Mutter und dieser Vater bringen L.K. zur Taufe – das ist neben unverwüstlicher Liebe das Beste, was sie für ihre Tochter tun können! Sie bekräftigen den Wunsch, dass der Glauben eine Rolle in L.‘s Leben spielen wird. Und sie vertrauen darauf, dass in der Taufe die kostbare Zusage liegt, dass Gott da sein wird, komme was wolle, im Leben und im Sterben!

Sie haben als Taufspruch das wichtigste Gebot ausgewählt. In Mt. 22,37 antwortet Jesus, als er danach gefragt wird: „Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Verstand!“

Dass L.K. die Liebe Gottes kennenlernt und selber aus tiefstem Herzen diese Liebe erwidert – das wünschen Sie sich liebe Frau T. und lieber Herr C.S.

Und was wünschen Sie, liebe Gemeinde?

Wenn Sie den berühmten, einen Wunsch frei hätten, was würden Sie wählen?

Und bedenken Sie Ihren Wunsch wohl, so dass Sie nicht plötzlich mit etwas dastehen, was Sie eigentlich gar nicht wollen. Witze funktionieren ja mitunter so. – Nun…?

Ich wage, den einen Wunsch auszusprechen, der wohl viele Menschen derzeit umtreibt, nämlich dass die Kriege aufhören… auf unserer geplagten Erde: in Äthiopien, in der Ukraine, in Afghanistan, in Mexiko, in Jemen, in Myanmar, im Nahen Osten, in Syrien… und überall, wo bewaffnete Konflikte abertausende Menschenleben kosten oder Bürgerkriege immer wieder aufflammen.

In Vers 11 von Psalm 46 ruft Gott uns zu: »Hört auf und erkennt, dass ich Gott bin! …«

Wenn doch diese Menschenverächter, Leuteschinder und Kriegstreiber endlich begreifen würden, dass da ein Gott ist, der über allen Herren der Heere steht! Sie würden erschrecken vor Gottes Macht, demgegenüber jede noch so hochgerüstete Armee ein Nichts ist.

Unser Gott ist einer, der Waffen und Kriegsgerät vernichtet. „Hört auf!“

Gott beendet die Kriege, davon singt der Psalm.

Und wenn Gottes Machtwort erklingt, erzittert die Erde wie im Erdbeben. Einstürzende Berge versinken im Meer, felsenfeste Gewissheiten zerbröckeln und einem Tsunami gleich tosen die Meere und Ozeane.

Es sind gewaltige Bilder, die der Psalm hervorruft.

Bedrohungen durch solche Naturgewalten, erzeugen Angst und Schrecken bei Menschen, die dem Chaos hilflos ausgeliefert sind. Doch inmitten dieses Weltuntergangsszenarios bricht sich eine Stimme Bahn: „Hört auf! Lasst ab vom Krieg! Seid stille und erkennt, dass ich Gott bin!“ (V11)

Wer Psalm 46 meditiert, versteht, dass aggressive Kriegsführung nicht der Weg Gottes ist. Gott zerbricht Bogen und Speer, Waffen werden unbrauchbar, das Kriegsgerät geht in Flammen auf.

Gott ist keine Kriegspartei, sondern Gott vernichtet den Krieg.

Unser Psalm schlägt die gleiche Tonart an wie die Propheten (Micha 4,3 bzw. Jes.2,4) „Gott selbst schlichtet den Streit zwischen den Völkern, und den mächtigen Nationen in weiter Ferne spricht er Recht. Dann schmieden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen um und ihre Speere zu Winzermessern. Kein Volk wird mehr das andere angreifen; niemand lernt mehr, Krieg zu führen.

Abrüstung und Konversion sind moderne Begriffe für „Schwerter zu Pflugscharen“, der Losung, die meine Jugendzeit prägte.

Gott selbst bereitet den Weg des Friedens – davon singt auch Psalm 46, der einst nicht nur gelesen wurde, sondern als Lied für Frauenstimmen erklang. Unsere Chöre können leider nicht mehr einstimmen, da die ursprüngliche Melodie verloren ging.

Gleichsam als Gegenentwurf zur gewalttätigen Realität zeichnet der Psalm ein Bild von der ‚Stadt Gottes‘, wo Verfolgte aufgenommen werden, wo sie Rettung erfahren, Sicherheit finden und Gott ganz nah sein dürfen.

Dass Gott auf dem Berge Zion „wohnt“, ist ein wiederkehrendes, biblisches Motiv. Es gewann besondere Plausibilität zu einer Zeit, als Truppen des assyrischen Königs Sanherib über Juda herfielen und eine Spur der Verwüstung hinterließen. Jerusalem aber widerstand – die Stadt auf dem Berg konnten sie nicht erobern (701 v. Chr.). An den festen Mauern der Stadt biss sich die Großmacht die Zähne aus.

Mit solchen Erfahrungen im Hintergrund wird verständlich, dass die Zions-Theologie Auftrieb bekam. In dieser Tradition steht auch Psalm 46. Er redet von der heiligen Stadt Gottes, wo alle durch die Gegenwart Gottes geschützt sind: „Ein breiter, mächtiger Strom belebt die Stadt Gottes, die Wohnung des Höchsten, den heiligen Ort. Gott ist in ihrer Mitte, schon früh am Morgen beschützt er sie.“ Fast paradiesisch wirkt es, wie ein starker Fluss die Stadt mit dem lebensnotwendigen Nass versorgt.

Doch verwechseln wir die „Stadt Gottes“ nicht mit dem historischen bzw. aktuellen Jerusalem, denn durch die Stadt fließt eben kein „breiter, mächtiger“ Fluss. Es gibt lediglich eine Quelle, deren Wasser mit einem Tunnel weitergeleitet wurde. Und dass Jerusalem ein ungebrochener Ort des Friedens würde, das blieb bis ins 21. Jahrhundert ein unvollendeter Traum.

Dennoch entfalten diese alten, biblischen Lieder wie Psalm 46 eine enorme Kraft. Sie stärken unsere inneren Bilder und unser Vertrauen in Gott, der uns verspricht: „Ich werde da sein. – Ich werde für dich da sein.“

Liebe Gemeinde!

Wir feiern heute zwei Taufen und dürfen mit erleben, wie das Wasser der Taufe neues Leben spendet.

„Freunde wollen wir dir sein, sollst des Friedens Brücken bauen.
Denke nicht, du stehst allein; kannst der Macht der Liebe trauen.“

So bekräftigten wir, dass wir auf dem Weg des Glaubens unterwegs sein wollen.

Ich wünsche uns allen, dass das Vertrauen auf Gott uns diesen (inneren) Zufluchtsort gebe, wo wir aufgenommen und behütet sind, wenn die Welt ringsherum ins Wanken gerät.

All die unzähligen Gebete, die zum Himmel steigen, mögen nicht ohne Antwort bleiben!

Gott, du trägst den „Namen über alle Namen“ und wenn Dein Wort ertönt, erbebt die Erde.

Lass dein Machtwort wirken! Erhöre das Flehen der Geplagten, der Belagerten, der Fliehenden.

Steh denen bei, die vor den Trümmern ihres Lebens stehen und nicht aus noch ein wissen.

Höre das Weinen der Ausgebombten, der Mütter, die ihre Söhne in die Ungewissheit des Krieges ziehen lassen müssen. Gott erweise deine Macht – auch heute.

Seit Menschengedenken rufen wir nach Dir, Gott. Und wir fragen uns: Wann, wann endlich geschieht, was Du versprichst?

Die Antwort, die Psalm 46 auf solche bedrängenden Fragen versucht, ist nicht in der Zukunft zu suchen, sondern im hier und jetzt. Es gibt einen Ort in dieser Welt, der nicht von dieser Welt ist.

Dort findest du Zuflucht, möge es rings um dich her noch so chaotisch zugehen.

Gott ist in unserer Mitte.

„Gott unsere Zuflucht und Stärke, ein bewährter Helfer in Zeiten der Not.“ So beginnen die Psalm-Verse, um abermals zu wiederholen: „Der Gott Jakobs ist unser Schutz.“ Es ist dieselbe Aussage, mit der sich der Bogen schließt.

Liebe Gemeinde!

Wer dies sagen kann, hat den Zufluchts-Ort gefunden und spürt Gottvertrauen tief in sich.

Furcht fällt ab und Geborgenheit, Sicherheit, Glauben, Liebe, Hoffnung stellen sich ein.

„Ein feste Burg ist unser Gott“ – so dichtete einst Martin Luther in den Bedrängnissen der Reformations-Zeit mit Psalm 46 vor Augen.

Wie auch immer unsere inneren Bilder aussehen, mögen uns die Kraftquellen des Glaubens Tag für Tag so viel Kraft und Segen geben, wie wir brauchen. Amen

Zur Liturgie:

Du bist mein Zufluchtsort, Durch Hohes und Tiefes 299

Kind, du bist uns anvertraut, Ref. Gesangbuch 182,1-3

Gott ist gegenwärtig, Ref. Gesangbuch 162, 1,5-7

Befiehl du deine Wege, Ref. Gesangbuch 680,1-2,12

Kontext:

John Cruz: It’s time to build a bridge
https://www.youtube.com/watch?v=mYGBsIUrZ4Q

Pfarrerin Sabine Handrick

Jahrgang 1965, seit 2010 Pfarrerin der Reformierten Kirchgemeinde Düdingen, Kanton Fribourg

pfarramt@refdue.ch

de_DEDeutsch