Salz und Licht – Bild für die unsichtbare Gegenwart Gottes

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Salz und Licht – Bild für die unsichtbare Gegenwart Gottes

21. Sonntag nach Trinitatis (Allerheiligen) | Matthäus 5.13-16 (dänische Perikopenordnung) | von Peter Fischer-Møller |

Mit bloßem Auge ist es nicht zu sehen. Aber wenn wir die Augen schließen, können wir es spüren: Das Wunder des Lebens und das Wunder der Liebe, uns anvertraut, so dass wir hingehen können und den Tag zu einem guten Tag für andere und uns selbst machen können.

Jesus verwendet das Salz und das Licht als Bilder für die Gegenwart Gottes in der Welt und unser Leben und die Bedeutung, die wir für einander haben als Menschen und als Christen.

Ich habe heute etwas Siedesalz hier mit auf die Kanzel genommen. Seht her! Die feinen flachen Salzflocken. Die können wir ja durchaus sehen. Aber was sie im Essen bewirken, das können wir nicht sehen. Das können wir nur merken. Was ist zum Beispiel ein weichgekochtes Ei ohne Salz? Eine Schüssel ohne interessanten Geschmack! Und was ist ein Meer ohne Salz?

Im Öresund zu baden, das ist ein schlappes Erlebnis im Vergleich zum Meer bei der Insel Læssø. Das Salz trägt einen, es ist kraftvoll und erfrischend. Es rieselt und reinigt und juckt in den kleinen Schrammen, die man bekommen hat, als man Brombeeren pflückte.

Das Salz ist ein Bild für Kraft, Spannung und Frische. Salz macht einen Unterschied. Im Wasser aufgelöst ist es unsichtbar, aber überall gegenwärtig, und es besteht ein Riesenunterschied zwischen Wasser mit und ohne Salz.

So auch mit dem Licht. Gewiss, wir können die Kerze und die Straßenlampe sehen, aber das Licht selbst können wir nicht sehen. Oder besser, wenn wir direkt in das Licht schauen, werden wir geblendet, so dass wir nichts anderes sehen können. Das Licht merken wir indirekt, verborgen, wenn es uns die Welt zeigt. Im Dunkeln sind alle Katzen grau, sagen wir. Im Dunkeln können wir Angst bekommen, uns selbst und einander zu verlieren. Die Dunkelheit macht alles gleich. Das Licht macht die Unterschiede deutlich. Das Licht weckt die Farben in den Dingen. Es geschieht etwas, wenn das Licht in der Stube angemacht wird. Und der nächtliche Albtraum wird durch die Morgensonne in die Flucht geschlagen.

Eines der Modeworte unserer Zeit ist Sichtbarkeit. Wir sind sehr an all dem interessiert, was gesehen und vorgezeigt werden kann. Wir errichten Gesprächsküchen und legen Gärten an und legen redigierte Bilder auf Facebook. Gut und schön.

Aber vielleicht ist es so, dass es in unserem Leben dennoch etwas gibt, was man nicht sehen kann: Dass das Herz schlägt, dass es jemanden hat, für den es schlägt, dass wir Luft holen und dass wir einander in Atem halten können, dass wir Dinge in Worte fassen können und jemanden haben, mit dem wir sprechen können.

Die Kirche steht hier in der Landschaft, ragt heraus zwischen den anderen Gebäuden in der Stadt. Sie ist von weitem zu sehen. Aber die Gegenwart Gottes und der Glaube, der unsere Herzen anrührt, das können wir nicht sehen. Das Wichtigste ist einfach nur da und erregt unsere Aufmerksamkeit. Genauso ist es mit Menschen, die wir lieben und die uns lieben. Sie haben wohlbekannte Gesichter, wir kennen die Art und Weise, in der sie sich bewegen, wir können ihre Körpersprache verstehen. Wir erkennen sie wieder aus großer Ferne. Der Körper ist wichtig. Er ist nicht allein ein Umschlag für die Seele, den wir einmal gerne abstreifen wollen. Es hat einen Sinn, dass Gott uns Körper gegeben hat. Wir sind wie Körper, die einander sehen und hören und merken können, dass wir etwas für einander bedeuten. Eben deshalb bekennen wir auch jeden Sonntag die Auferstehung des Fleisches. Denn das Leben ist nicht nur etwas, was wir innen in uns selbst haben, sondern was sich zwischen uns und der geschaffenen Welt entfaltet. Und trotzdem ist das Wichtigste an dem, was sich da abspielt zwischen uns, unsichtbar. Das ist das Vertrauen, das zwischen uns entstehen und sich entfalten kann, dass man die Aufmerksamkeit eines anderen Menschen spürt, dass man fühlt, verstanden zu werden. Die Freude über die Nähe eines Freundes, die Geborgenheit, die im Zusammensein liegt. Das ist es, was den großen Unterschied ausmacht. So bedeuten wir etwas für einander. Eine Bedeutung, die Gesprächsküchen und den neuangelegten Garten und die Bilder auf Facebook weit übertrifft. Das ist die Liebe zwischen uns – den darum geht es ja – das ist die Liebe, die unsichtbar gegenwärtig ist und uns salzt und durchleuchtet.

 

Das spüren wir so deutlich hier an Allerheiligen, wo wir unserer Toten gedenken, wo wir an die Generationen vor uns denken, die Menschen, die unsere Gesellschaft aufgebaut haben, in und von der wir heute leben, die uns die Werte als Erbe hinterlassen haben, auf denen wir aufbauen können., die uns die Geschichten erzählt haben, in denen wir uns wiederfinden können, so dass wir uns selbst finden uns als Menschen entfalten können, diejenigen, die die Kirche hier gebaut haben. Generationen haben hier ihre Kinder taufen lassen und ihnen die Geschichte von Jesus und seiner vorbehaltlosen Liebe und grenzenlosen Vergebung geschenkt als dem, mit dem ein Mensch leben und sterben kann.

Wir gedenken hier an Allerheiligen besonders unserer eigenen Toten, die von uns gegangen sind und die wir heute vermissen – die mit ihrer Aufmerksamkeit und Liebe Salz und Licht für uns geworden sind. Die uns das Leben frisch und spannungsreich werden ließen, die uns Kräfte und Mut gaben für das Leben, die etwas bedeuteten und uns zeigten, dass wir selbst etwas bedeuteten. Wir gedenken ihrer nicht als Tote, sondern Lebende, als Menschen, deren Liebe und Inspiration uns noch immer beeinflussen.

Jesus verwendet im heutigen Evangelium Salz und Licht als Bilder des Unsichtbaren, von dem wir leben, und als Bilder für das, was Menschen für einander bedeuten.

Hinter und über all dem ist Gott überall unsichtbar zugegen in unserem Leben als die rätselhafte Macht oder Kraft, die uns am Leben erhält, die jedem Tag seine besondere Prägung und Farbe und seinen Charakter gibt. Und Gott ist nicht allein die Macht hinter der sichtbaren Welt, dem Licht der Sonne und des Mondes und der Sterne. Er ist auch der, der noch immer Licht schafft in unserem Leben, wo wir das Gefühl haben, dass alles in Finsternis versinkt, und keinen Ausweg sehen. Denkt an euch selbst und an Menschen, die ihr kennt. Denkt an Leben, die festgefahren sind, die aussehen, als würden sie nie aus der Misere kommen. Denkt an Situationen, wo ihr das Gefühl hattet, dass hier alle Hoffnung verloren ist.  Und dann geschah dennoch etwas. Unbemerkt, ohne dass wir es sahen. Das Leben kehrte zurück. Das Dasein öffnete sich. Der finstere Tunnel, der uns umgeben hatte, verlor seine Macht, und wir konnten das Licht in der Ferne ahnen.

Wie konnte das geschehen? Das wissen wir kaum, aber oft spürten wir, dass es zu uns kam durch andere Menschen.

Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt!

Bemerkt, dass Jesus nicht sagt: Jetzt reißt euch zusammen und versucht, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Nein, er sagt: Ihr seid es! Ihr seid es schon. Ihr seid die, die ihr seid. Unser Leben ist durchleuchtet und durchsalzt von Gott selbst.  Das Leben, so wie es hier und jetzt ist, für uns verletzliche Menschen. Wir irren uns, wir versagen, wir werden enttäuscht, da sind Tage, die uns zwischen den Händen zerrinnen, und Monate und Jahre, die wir mit Bitterkeit und Feindschaft und Streit vergeuden.  Aber Gott hält an uns fest, er glaubt weiter an uns und ist in unserem Leben gegenwärtig. Mit seinem Salz und seinem Licht. Und manchmal erleben wir das, wie wir etwas im Leben anderer Menschen bedeuten – und sie in unserem. Wie ein anderer Mensch mit seiner Gegenwart und seiner Aufmerksamkeit mir Kraft und Nahrung gab, mir Licht brachte und mir folgte, so dass sich das Leben für mich wieder öffnete.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.

Das waren die Worte Jesu damals vor fast 2000 Jahren an eine zufällige Gruppe Menschen: Fischer und Handwerker, Kinder und Erwachsene, Huren und Taschendiebe. Ihr seid das Salz der Erde und das Licht der Welt, sagte er. Ihr seid Menschen Gottes, geschaffen und geliebt von Gott. Und Gott weiß, was ihr in euch habt. Gebraucht es, tragt die Botschaft von der unsichtbaren Gegenwart und Liebe Gottes mit euch hinaus in die Welt!

Das sieht vielleicht nicht nach sehr viel aus, ja das, worauf es ernstlich ankommt, ist ganz unsichtbar, ein paar kurze Sätze: Du taugst wie du bist, du bist ein einzigartiger und wertvoller Mensch. Gott kennt dich und liebt dich und wird dich nie vergessen – weder hier im Leben noch wenn du einmal stirbst. Deine Sünden sind dir vergeben, du darfst das Verwirrte und Missglückte und Unerträgliche ablegen bei Gott, so dass du dem heutigen Tag entgegengehen kannst mit den Fähigkeiten und Kräften, die du hast. Dies war die Botschaft, die Jesus ihnen anvertraute mit seinen Worten und seinem Leben. Diese Botschaft ist nun von Mund zu Ohr über 80 Generationen und über die ganze Erde gegangen. Heute ist sie beim uns angelangt.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.

Das sind nicht einige andere, besondere hervorragende, begabte, tüchtige, fromme Heilige. Sondern wir sind es, so wie wir sind. Du und ich und er und sie, die neben uns sitzen. Ein Wunder ist es, dass Gott auf uns sieht.  Und zu uns sagt: Es geht um dich! Eben du bist Licht und Salz, auf dich kann ich nicht verzichten.

 

Bald gehen wir hinaus aus der Kirche. Und alles ist so wie vor einer Stunde. Was hier geschehen ist, lässt sich nicht mit dem bloßen Auge sehen, aber man kann es spüren.

Wir sind an das Salz und das Licht Gottes im Leben der Welt und in unserem Leben erinnert worden. Nun tragen wir die Botschaft mit uns hinein in unseren gemeinsamen Alltag, so dass das salz wirken kann und das Licht scheinen kann zum Nutzen und zur Freude aller. Amen.

 

Bischof Peter Fischer-Møller

Roskilde

Email: pfm(at)km.dk

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