…so werden wir…

…so werden wir…

… so werden wir in Christus alle lebendig gemacht werden | Predigt zu 1. Korinther 15, 19-28 | verfasst von Gert-Axel Reuß |

 

Frohe Ostern Ihnen allen!

Bleiben Sie gesund und guten Mutes!

 

Ostern ist ein Tag der Hoffnung im Vertrauen auf den, der gesagt hat: „Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende!“ Jesus Christus. (Mt 28,20)

 

Liebe Gemeinde,

 

in diesem Jahr ist vieles anders. Die Zeit scheint stillzustehen, aber das Leben geht weiter. Wie geht das Leben weiter – in der Schule und im Betrieb, in den Kindergärten und Pflegeheimen, mit der Arbeit und in den Familien?

 

„Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendsten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten.“ (1. Kor 15, 19.20a)

 

Ich spüre ganz deutlich: Wir brauchen diese Botschaft in diesem Jahr mehr als sonst. Weil es ein „Weiter so“ nicht gibt. Weil die Welt von morgen eine andere sein wird als die, die wir kennen.

 

Für mich ist diese Krise trotz des Schocks über all das Leid, das über uns hereingebrochen ist, auch eine Chance. Weil sich viele Menschen im Angesicht der Not von ihrer besten Seite gezeigt haben: Die Hilfsbereitschaft ist groß, die Rücksichtnahme auf die Schwachen auch. Ein „Wir-Gefühl“ ist neu gewachsen.

 

Für mich ist ganz klar: Das ist der Geist Jesu, der unter uns lebendig ist. „Denn da durch einen Menschen (Adam) der Tod gekommen ist …, so werden sie, die Menschen in Christus lebendig gemacht werden.“

 

Das ist es doch, was wir gerade erleben. Dass ein gewinnorientiertes Unternehmen wie adidas, zunächst ankündigt, angesichts der enormen Umsatzeinbußen die Mietzahlungen für seine Filialen nicht bezahlen zu wollen und nach einem shitstorm sich genötigt sieht, sich öffentlich zu entschuldigen. Dass unser Land aus Sorge um die Staatsfinanzen sich zunächst weigerte, Hilfsgelder für die schwächeren EU-Nationen freizugeben (Euro-Bonds). Und heute – am Montag, dem 6. April 2020 (an dem ich meine Predigt zu Papier bringe) – schreiben die beiden wichtigsten deutschen Minister (Außenminister Maas und Finanzminister Scholz) in den großen Tageszeitungen Spaniens, Frankreichs und Italiens: „Wir lassen Euch nicht im Stich!“

 

Wir werden lebendig gemacht! Unser Eigensinn wird überwunden. Und damit meine ich in diesem besonderen Fall eine latent vorhandene Grundhaltung, die sich damit zufrieden gibt, sein eigenes kleines Leben in Ordnung zu bringen bzw. in Ordnung zu halten. Nein! Sich mit diesem wenigen zufrieden zu geben, das ist nicht die Botschaft des Apostels. Nein! Das entspricht nicht dem Willen Christi, der erst dann zum Ziel kommt, wenn „Gott sei alles in allem“ (V. 28).

 

Liebe Gemeinde,

 

in diesem Jahr ist Ostern ganz anders. Nichts ist, wie es immer war. Keine Gottesdienst in unseren Kirchen, keine Kerzen in der Osternacht, kein Abendmahl und auch kein Osterfrühstück. Keine Osterfeuer auf dem Dorfplatz und anderswo auch nicht. Keine Verwandtenbesuche, keine Kurzurlaube. Die Familien sind herausgefordert, das Suchen der Ostereier für die Kinder neu zu erfinden. Im Haus. Im Garten, wenn vorhanden. Aber nicht auf einem gemeinsamen Spaziergang mit den Großeltern durch den Wald oder um den See.

 

In diesem Jahr ist Ostern ganz anders. Die alten Geschichten klingen neu. Und wir sind plötzlich mittendrin in diesen Geschichten. Verwirrt wie die Frauen am leeren Grab. Niedergeschlagen und mit Zukunftssorgen wie die Jünger auf dem Weg nach Emmaus. Vielleicht auch zornig über die, die uns das alles vermeintlich (!) eingebrockt haben.

 

„Christus ist auferstanden von den Toten!“

Nach und nach entdecken die Frauen und Männer um Jesus, dass sein Geist quicklebendig ist in ihnen selbst. Entdecken sie, dass sie selbst vorangehen müssen. Weiter, auf seinem Weg. Und dass er bei ihnen ist, wie er gesagt hat: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

 

Paulus – so scheint es – ist in Sorge, dass Christinnen und Christen in Korinth von diesem Weg abkommen könnten. Eine nicht ganz unbegründete Sorge, wenn man daran denkt, dass wir zwar unser Wirtschaftssystem in die ganze Welt „exportiert“ haben, die sozialen Errungenschaften aber ganz gerne für uns behalten möchten. „Sich selbst genug sein“ heißt das Gift, das am Ende einen viel größeren Schaden anrichten kann als das Corona-Virus.

 

Exportstopps für Schutzmasken und Beatmungsgeräte. Ein „Wir-Gefühl“, das größer ist als die Grenzen unseres Landes, als die Grenzen Europas, als die Grenzen der westlichen Welt hat es schwer, wenn die Kapazitäten und Ressourcen begrenzt sind.

Das ist ja nicht unverständlich. Aber haben nicht auch viele hier die „America first“-Politik des US-Präsidenten beklagt. Und zwar mit Recht! Weil dieses Land eben auch andere Werte verkörpert hat. Gerade wir in der westlichen Bundesrepublik haben davon stark profitiert nach dem Zweiten Weltkrieg.

 

Als Heilmittel dagegen verabreicht uns Paulus eine kosmologisch-eschatologische Vision, die in der Auferstehung Christi ihren Anfang genommen hat. Er nennt ihn den „Erstling“, was bedeutet, dass danach noch andere folgen werden. Und zwar alle, „die Christus angehören“ (V. 23). Dieses „alle, die Christus angehören“ ist nicht das Ende. Das kommt – zumindest in der Argumentation des Paulus –  erst danach. „Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.“ (V. 26)

 

Was also passiert davor, vor diesem Ende?

Zu denen, die Christus angehören, zähle ich Dietrich Bonhoeffer. In den letzten Wochen des Krieges wurde er verschleppt und am 9. April 1945 gehängt. (In diesen Tagen jährt sich seine Ermordung zum 75. Mal). Sind denn nicht auch Bonhoeffers Gedanken und Bekenntnisse unter uns lebendig? Haben sie nicht gerade nach seinem Tod, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ihre große Wirkung entfaltet? Und ist das nicht Christi Geist, der lebendig ist in Versen wie „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“?

 

Christus ist auferstanden von den Toten! Als Erstling unter denen, die entschlafen sind. (V. 20)

Da kommt noch was. ‚Und das‘ – so der Apostel Paulus an die Korinther – ‚könnt Ihr Euch gar nicht groß genug vorstellen.‘ Und wir können es auch nicht. Uns vorstellen, wie das sein kann, dass „Gott sei alles in allem“ (V. 28).

Aber dass wir uns das nicht recht vorstellen können, bedeutet ja nicht, dass wir diese Vision aufgeben. Nein! Sie ist der Anspruch auch für das, was davor geschehen soll und geschieht, vor diesem Ende.

 

„Jetzt zählt das WIR.“ heißt es profan in einer (Internet-)Broschüre der Bundesregierung über das Corona-Virus.

Die Broschüre enthält Ratschläge und informiert über Hilfsprogramme. Alles sehr praktisch und weit entfernt von einer wie auch immer religiös gefärbten Botschaft.

Trotzdem sage ich: Genauso müssen wir vom Ende her (dass Gott sei alles in allem) denken und handeln. Und es geschieht! Wir werden aufgeweckt, lebendig!

 

Frohe Ostern Ihnen allen!

Bleiben Sie behütet. Denn Sie sind es ja!

Jesus Christus ist bei uns alle Tage bis an der Welt Ende!

 

Amen.

 

 

Gert-Axel Reuß

Domprobst

Domhof 35

23909 Ratzeburg

Mail: reuss@ratzeburgerdom.de

 

 

Gert-Axel Reuß, geb. 1958, Pastor der Nordkirche, seit 2001 Domprobst zu Ratzeburg

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