Rosen wachsen im Tale

Home / Bibel / Neues Testament / 02) Markus / Mark / Rosen wachsen im Tale
Rosen wachsen im Tale

Predigt zu Markus 12,38-44 (dänische Perikopenordnung) | von Eva Tøjner Gøtke |

Die ganze Welt war gespannt, wer die Wahl in den USA gewinnen und der 46. Präsident werden würde. Das mächtigste Amt der Welt.

Milliarden von Menschen, Erwachsene wie Kinder, verfolgten das Drama auf ihren Telefonen. Sahen Videos, hörten kurze Wahlreden. Verfolgten Meinungsumfragen und die Auszählung der Stimmen. Als wäre das ein Fußballkampf. Das war zugleicht harter Ernst und reine Unterhaltung.

Wir lassen uns nämlich von der Macht faszinieren.  Von den reichen – starken Männern. Auch wenn wir auch in diesem Wahlkampf das wahre Gesicht der Macht gesehen haben. Dass man sich um jeden Preis durchsetzen will. Seine eigene Stärke zeigen und den anderen niedermachen will. Sich selbst in Szene setzen will. Nicht das Gesicht verlieren. Das Wort in seiner Macht haben. Vor allem die Medien beherrschen. Die Erzählungen, die gebracht werden sollen, und die, die lieber verborgen bleiben. Die Wahrheit existiert nicht. Alle ist Spin.

Diese Welt ist weitgehend unsere. Nicht in der großen Politik, sondern auch im Kleinen, im nahen Umfeld, in der Familie, da wo die Menschen zusammen sind. Streben nach Macht und Reichtum tragen dazu bei, uns zu pervertieren – und sie pervertieren unser Weltbild.

Das ist traurig. So finster wie der dunkle November. Und damit zu leben und das zu ertragen gelingt nur, weil es kleine Lichtpunkte gibt, die auf eine andere Welt verweisen.

Und einen solchen Lichtpunkt sehen wir heute. Wenn unser Herr nicht in die Welt gekommen wäre und unsere Augen dafür geöffnet hätte, hätten wir es nicht bemerkt.

Jesus befindet sich im Tempel in Jerusalem. Während die Reichen versuchen, sich einander darin zu übertreffen, wer das meiste Geld in den Gotteskasten wirft, um Aufmerksamkeit zu erregen, macht Jesus auf eine Witwe aufmerksam, die in aller Stille hingeht und zwei kleine Münzen hineinwirft. Keiner sieht sie. Und sie handelt auch nicht, um gesehen zu werden. Aber Gott sieht sie.

Natürlich hat sie niemand eines Blicks gewürdigt, denn in unserer Welt gilt der unbedeutende Beitrag der armen Witwe nichts.

Aber er gilt etwas für Gott. Denn Gott misst mit einem anderen Maßstab.

Die Witwe gibt mehr als alle Reichen, die von ihrem Überfluss geben, erklärt Jesus den Jüngern. Sie hat aus ihrer Armut gegeben. Sie hat von dem Nichts gegeben, das sie hat. Sie hat sich selbst gegeben.

Sie hatte nichts anderes, von dem sie geben konnte, als sich selbst. Auch wenn es sie die letzten Münzen kostete, wollte sie auch eine Geberin sein.

Ihr Handeln sagt mehr als viele Worte. Sie ist ein Gleichnis.

Sie ist ein Gleichnis für die Liebe, die sich mirakulös in dieser Witwe durchsetzt, die nichts anders hat, von dem sie geben kann.

Sie ist ein Gleichnis von der Wahrheit, dass die größte Gabe die ist, die in Armut aus dem Nichts gegeben wird.

Hätte Jesus sie nicht vor den Jüngern hervorgehoben, hätten sie sie nicht bemerkt. Denn wir sind von den Reichen fasziniert. Die sich vordrängen. Denen wir gerne gleichen wollen. Nach ihrem Leben streben wir, nach Macht und Einfluss und Anerkennung. Leute, die imstande sind, große Schecks auszustellen.

Aber mit Gott hat sich die Welt verändert. Oder unser Leben hier in der Welt hat sich verändert. Denn mit ihm ist diese Frau ins Licht gerückt. Ihr bescheidenes Opfer. Ihr Festhalten daran, eine Geberin zu sein, auch wenn sie nichts hatte, wovon sie geben konnte.

Unser Herr will den Jüngern – und uns – lehren, solche Lichtpunkte zu sehen, wo immer wir leben. Denn es gibt sie. Und sie geschehen überall. Menschen, die im Stillen leben. Die das für andere tun, was zu tun ist, und wofür ich keine Zeit oder Möglichkeit zu haben meinen.

Das größte Geschenk von allem ist dies, dass unser Herr seine Kirche an seiner Botschaft festhält, nämlich dass er auf die Lichtpunkte verweist, die Trost und Hoffnung und Vergebung für alle Heuchelei und allen Betrug verkünden, an denen wir alle hier in der Welt teilhaben. Auch die Kirche.

Die arme Witwe ist ja in diesem Sinne ein Gleichnis für unseren Herrn, der in diese Welt tritt, demütig und ganz unbemerkt, der sich selbst hingibt, alles, was er besaß, um uns Glauben zu schenken und uns zum Leben zu erwecken.

In ihm sehen wir der Wahrheit über uns selbst ins Auge und bekommen zugleich den Blick, der uns aus unserer Armut erlöst. Amen.

 

Pastorin Eva Tøjner Götke

DK-5230 Odense M

Email: etg(at)km.dk

de_DEDeutsch